Rat und Stadtbezirksräte
Vorlage - 15-01259
|
|
Sachverhalt:
Es ist davon auszugehen, dass auch die Stadt Braunschweig ab Februar 2016 Flüchtlinge wird aufnehmen müssen. Bei einer Zuweisung durch das Land ist die Stadt zur Unterbringung verpflichtet.
In einem 1. Schritt muss jetzt die Unterbringung in ihren unterschiedlichen Phasen geplant bzw. gestartet werden. Hierzu wurde ein Konzept erarbeitet.
Parallel dazu wird an einem Integrationskonzept gearbeitet, das zur nächsten Ratssitzung vorgelegt wird.
Ausgangslage:
Mit Schreiben des Nds. Städtetages 62/2015 wurde die Stadt Braunschweig erstmalig darüber informiert, dass auch Braunschweig zukünftig nicht mehr von der Aufnahme von Flüchtlingen befreit sein soll. Es ist damit zu rechnen, dass für das nächste Jahr ab Februar Flüchtlinge zugewiesen werden.
Die genaue Zahl der in Braunschweig aufzunehmenden Flüchtlinge wird voraussichtlich im Dezember 2015 mitgeteilt.
Aufgrund dessen müssen unverzüglich alle Vorbereitungen getroffen werden, um auch in Braunschweig letztendlich dauerhaft Flüchtlinge unterbringen zu können.
1.Unterbringung
Die Unterbringung wird in 3 aufeinanderfolgenden Phasen geplant, die bei Besonderheiten (z. B. physische oder psychische Beeinträchtigungen der Flüchtlinge) auch durchbrochen werden können.
Phase 1:
Erstaufnahme durch die Stadt in großen Unterkünften (wenige Tage bis mehrere Wochen/Monate)
Aufgrund der Erfahrungen anderer Kommunen ist damit zu rechnen, dass mit relativ kurzer Vorlaufzeit Flüchtlinge in Braunschweig zugewiesen werden. Die Anzahl variiert stark. Die Flüchtlinge werden von der jeweiligen LAB dem jeweiligen Aufnahmestandort zugewiesen. Vorab werden die Kommunen kurzfristig in Kenntnis gesetzt.
Da in Braunschweig Wohnraum knapp ist und reguläre große Wohneinheiten noch nicht vorhanden sind, müssen die Flüchtlinge zunächst in einer Art städt. Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht und versorgt werden. Nach derzeitiger Planung kommen dafür nur Sporthallen in Frage. Die Sporthallen sollen nicht mit einer öffentlichen Schule verbunden sein, sondern möglichst freistehend sein.
Es sollen zunächst die Halle Naumburgstraße, danach die Halle in Watenbüttel und erst anschließend die Halle Moselstraße belegt werden, sofern keine andere Einrichtung bis dahin bereitgestellt werden kann.
Alle Hallen müssen her- und eingerichtet werden. Es müssen ggf. ausreichende Sanitärcontainer beschafft und Aufenthalts- und Spielmöglichkeiten geschaffen werden.
Die Sporthallen werden nahezu durchgehend am Vormittag bis zum frühen Nachmittag schu-lisch genutzt. Neben der regelmäßigen schulischen Belegung durch bestimmte Schulen werden die Sporthallen Watenbüttel und Moselstraße zurzeit auch noch als Ersatz für die durch einen Brand zerstörte Sporthalle Lehndorf bzw. für die aufgrund von Sanierungsnotwendigkeiten gesperrte Sporthalle der Wilhelm-Bracke-Gesamtschule belegt. Angesichts der stadtweit angespannten Sporthallensituation wird es kaum möglich sein, Alternativen zu finden, so dass die betroffenen Schulen ihren Sportunterricht anders organisieren müssen.
Neben der verwaltungsmäßigen Aufnahme (einschl. Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) und ggf. Antragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) müssen die Flüchtlinge verpflegt und ggf. medizinisch und sozialpädagogisch betreut werden. Außerdem ist ein 24-Stunden-Sicherheitsdienst zu beauftragen.
Träger
Zusätzlich wird geprüft, ob z. B. der Betrieb der städt. Erstaufnahmeeinrichtung von einem Träger (z. B. Wohlfahrtsverband) übernommen werden kann.
Phase 2:
Befristete Aufnahme in größeren Wohneinheiten bis zur Entscheidung über den Asylantrag (mehrere Monate bis dauerhaft)
Die Flüchtlinge sollten so kurz wie möglich in einer städt. Erstaufnahmeeinrichtung in einer Sporthalle oder einem anderen Gebäude untergebracht sein, da eine Integration wesentlich optimaler in einer größeren Wohneinheit mit der Möglichkeit einer selbständigen Lebensweise mit eigener finanzieller Absicherung (wenn auch zunächst durch Transferleistungen) verlaufen kann. Eine ausreichende Zahl von Wohnungen im Stadtgebiet steht für die Flüchtlinge nicht zur Verfügung, da Wohnraum in Braunschweig knapp ist.
Deshalb wurde ein Konzept entwickelt für den Bau von größeren dezentralen Wohneinheiten im Stadtgebiet. Diese werden sukzessive errichtet. Sobald diese Wohneinheiten fertig sind, sollen die Flüchtlinge dort einziehen.
Dies ist auch deshalb notwendig, damit nachfolgende Flüchtlinge Platz in der städt. Erstaufnahmeeinrichtung finden.
Kriterien für die Standortsuche
Für die Standortsuche wurden die im Folgenden dargestellten Kriterien entwickelt:
•Dezentrale Verteilung in der Stadt Braunschweig
•Ca. 100 Personen pro Standort mit Ausnahme ehem. Kreiswehrersatzamt mit ca. 500 Personen
•Keine peripheren Lagen ohne Infrastruktur
•Standorte möglichst integriert oder direkt am Siedlungsrand
•Flächen möglichst im Eigentum der Stadt oder im öffentlichen Eigentum
•Ortsteile mit jetzt schon hoher Integrationsleistung (Kralenriede, Weststadt und westliches Ringgebiet) möglichst nicht zusätzlich belasten
Diesen Kriterien folgend wurden 36 Standorte in der Stadt näher untersucht. Es wurden jeweils die Lage, die entgegenstehenden Planungsziele, die Sozialverträglichkeit, die Verträglichkeit mit Nachbarnutzungen, die Nahversorgung, die verkehrliche Erschließung (IV und ÖV), die schulische Versorgung, die technische Erschließung (insbes. Strom, Wasser und Abwasser), die eigentumsrechtliche Situation und das Planungsrecht von den jeweils zuständigen Fachdienststellen untersucht und bewertet. 16 Standorte konnten anhand der genannten Kriterien identifiziert werden.
Folgende Standortvorschläge werden unterbreitet (sh. auch anl. Plan, Anlage 1):
Bienrode, Im großen Moore | Gartenstadt, Elzweg |
Gliesmarode, Hungerkamp | Hondelage, Ackerweg |
Lamme, Bruchstieg | Melverode, Glogaustraße |
Ölper, Biberweg | Öst. Ring, ehem. Kreiswehrersatzamt |
Rautheim, Braunschweiger Straße | Rühme, Flachsrottenweg |
Rüningen, Unterstraße | Siegfriedviertel, Beethovenstraße |
Stöckheim, Mascheroder Weg | TU, Mendelssohnstraße |
Volkmarode, Ziegelwiese-Ost | Watenbüttel, Celler Heerstraße |
Bauliches Konzept
Es sollen möglichst zweigeschossige Unterkünfte in Systembauweise, z. B. nach dem sog. „Bremer Modell“ erstellt werden.
Um Ausschreibung, Baugenehmigungsverfahren und Bau der Unterkünfte zu beschleunigen, sollen wenige Standardmodule definiert werden. Nachnutzungsmöglichkeiten sollen eingeplant werden. Die Bebauung wird sukzessive in den nächsten Jahren erfolgen.
Als angemessene Wohnfläche wurden aufgrund der Erfahrungen anderer Städte und Empfehlungen anderer Planungen 15 m² pro Person für alles (Bruttogeschossfläche, BGF) angesetzt.
Ausweitung der Standortsuche
Da auch in den nächsten Jahren von weiteren Zuweisungen von Flüchtlingen auszugehen ist, werden in den Stadtteilen, die von ihrer Größe und Infrastrukturausstattung in der Lage sind, Flüchtlinge aufzunehmen, weitere Standorte gesucht, die sich nicht im Eigentum der Stadt befinden.
Phase 3:
Integration in den regulären Wohnungsmarkt (bei positivem Bescheid über den Asylantrag herrscht dauerhafte Freizügigkeit)
Eine dezentrale Unterbringung im regulären Wohnungsmarkt in der Stadt ist aufgrund der positiveren Aussichten auf eine Integration der Flüchtlinge so bald wie möglich in Angriff zu nehmen. Die Flüchtlinge sollen möglichst spätestens nach der Anerkennung als Asylberechtigte reguläre Wohnungen anmieten können und aus der großen Wohneinheit ausziehen, so dass dort wieder Platz für Flüchtlinge aus der städt. Erstaufnahmeeinrichtung frei wird.
Bisher wurden dem Fachbereich Soziales und Gesundheit rd. 60 Wohnungen für Flüchtlinge gemeldet. Diese Zahl reicht erkennbar nicht aus. Zusätzlich zu der hier vorgeschlagenen Realisierung von Neubauten ist ein öff. Aufruf, weitere Wohnungen anzubieten, durchzuführen.
Insgesamt muss darauf geachtet werden, dass sich kein Ungleichgewicht zu den bereits Wohnungssuchenden in Braunschweig ergibt und keine „Ghettos“ entstehen. Eine sensible und intensive Steuerung muss angestrebt werden.
Ggf. müssen Flüchtlinge aber auch dauerhaft in den Wohneinheiten des Standortkonzeptes wohnen bleiben.
2.Infrastruktur
Erst nach Zuweisung und Unterbringung der Flüchtlinge kann geprüft werden, ob die vorhan-denen Kapazitäten für die Kinderbetreuung und erforderlichen Schulplätze ausreichend sind. Werden stadtweite und/oder standortbezogene Versorgungsdefizite festgestellt, müssen Lösungsmöglichkeiten (ggf. räumliche Erweiterungen) entwickelt werden. Sobald erste stadtweite Erfahrungswerte hinsichtlich der Anzahl hier bleibender Flüchtlinge vorliegen, sind diese in den jeweiligen Fachplanungen bzw. deren Fortschreibungen zu berücksichtigen.
3.Integration
Ein Konzept zur Förderung der Integration der Asylsuchenden wird unabhängig von der Unterbringungsform entwickelt, um die Integration insgesamt zu erleichtern und zu fördern, damit die Menschen so schnell wie möglich ein selbst bestimmtes Leben außerhalb von Einrichtungen und möglichst frei von Sozialleistungen führen können. Dies wird zu einem späteren Zeitpunkt in einer gesonderten Vorlage vorgelegt.
4.Leistungen
Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
Solange noch nicht über den Asylantrag durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entschieden wurde, haben Asylbewerber einen Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese Leistungen beinhalten neben der Grundversorgung (Nahrung, Unterkunft etc.) als Sachleistung in der Unterkunft auch ein Taschengeld sowie Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt. Sobald eine eigene Wohnung bezogen werden kann, werden die Leistungen als reine Geldleistung gewährt.
Ansprüche nach dem SGB II
Sobald der Asylantrag positiv beschieden wurde, findet ein Wechsel in das SGB II statt. Damit ist das Jobcenter für die anerkannten Flüchtlinge zuständig.
5.Ressourcen
Da die genaue Zahl der zugewiesenen Flüchtlinge noch nicht feststeht, sind genaue Angaben zum Finanz- und Personalbedarf noch nicht möglich. Sobald die endgültige Zahl vom Land mitgeteilt wurde, können genaue Planungen zum Gesamtbedarf erfolgen und die voraussichtlichen Kosten genauer eingeschätzt werden.
Die städt. Verwaltung benötigt zusätzliches Personal und Räume für die Umsetzung des Unterbringungs- und Integrationskonzeptes, die Bearbeitung der Leistungsansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und die ausländerbehördliche Bearbeitung.
Nach derzeitigem Stand ist für die genannten Aufgaben von rd. 70 erforderlichen Vollzeitstellen auszugehen. Die Stellen werden in den Stellenplanentwurf 2016 eingearbeitet und die zusätzlichen Personalkosten in den Haushalt aufgenommen. Diese Anzahl kann sich bis zur Beschlussfassung über den Haushalt 2016/Stellenplan 2016 aufgrund aktueller Erkenntnisse und Notwendigkeiten noch verändern. Die Beschlussfassung unter Nr. C ist erforderlich, um die Verwaltung zu ermächtigen, vor Inkrafttreten des Stellenplans 2016 das notwendige Personal im Zusammenhang mit der Zuweisung von Flüchtlingen einstellen zu können.
Nach einer ersten groben Schätzung, die eine jährliche Aufnahme in städtischer Zuständigkeit von 1000 Flüchtlingen unterstellt, wären von der Stadt rund 80 Millionen Euro in ihrer Haushaltsplanung bis 2019 für die Unterbringung der Flüchtlinge zu berücksichtigen. Dieser Betrag beinhaltet Investitionskosten von geschätzt 25 Millionen Euro für die Erstellung von Unterkünften für 1000 Personen. Die näheren Einzelheiten zu dieser überschlägigen Prognose, insbesondere auch zu den dabei getroffenen Annahmen, sind in Anlage 2 dargestellt.
Hierbei ist berücksichtigt, dass die staatliche Erstattung der entstehenden Kosten die tatsächlich in Braunschweig zu erwartenden Kosten nach derzeitigem Stand bei weitem nicht decken wird. Hinzu kommt noch, dass die Stadt nach jetziger Regelung Erstattungsleistungen immer erst mit Verzug erhält. Dementsprechend wäre mit einer ersten Erstattungsrate erst im Jahr 2017 zu rechnen.
Mit der endgültigen Erstattung des Landes für die 2016 aufzunehmenden Flüchtlinge ist erst im Jahr 2018 zu rechnen, da als Basiszahl für die Erstattung die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge des Vorvorjahres gilt. Dies sind im Moment rd. 50 Flüchtlinge.
Bis zum voraussichtlichen Inkrafttreten des Haushaltes im Juni 2016 sollen die erforderlichen Mittel für die bis dahin entstehenden Aufwendungen und zu leistenden Auszahlungen im Rahmen einer außerplanmäßigen Bewilligung in einer gesonderten Vorlage beschlossen werden.
Beschluss:
A. Als Standorte für die Herrichtung von kommunalen Aufnahmeeinrichtungen (KAE`s) sind zunächst 2 Sporthallen (Naumburgstraße mit rund 200 Plätzen und Sporthalle Watenbüttel mit rund 130 Plätzen) vorgesehen. Sofern diese Plätze nicht ausreichend sein sollten, wird als dritte Halle die Sporthalle in der Moselstraße mit rund 65 Plätzen genutzt. Sollte die Bereitstellung anderer Immobilien möglich sein (z.B. Kreiswehrersatzamt) sind diese den Sporthallen vorzuziehen. Die Verwaltung wird beauftragt, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen und Aufträge zu erteilen, um diese Hallen als städt. Erstaufnahmeeinrichtungen zur vorübergehenden Unterkunft für Flüchtlinge zu betreiben, bis die längerfristigen großen Wohneinheiten errichtet worden sind. Eine abschließende Entscheidung über die Nutzung von evtl. Drittimmobilien wird getroffen, sobald die Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge bekannt ist bzw. es weitergehende Informationen zu den Immobilien gibt.
Der Einrichtung von kommunalen Erstaufnahmeeinrichtungen wird so wie dargestellt, zugestimmt.
B. Dem dezentralen Standortkonzept wird zugestimmt. Es gibt unter Beachtung verschiedener Aspekte, beispielsweise der Sozialverträglichkeit, der verkehrlichen Erschließung und vorhandenen sozialen Infrastruktur sowie des Bauplanungsrechtes und eventuell entgegenstehender Planungsziele insgesamt 16 Standorte verteilt über das ganze Stadtgebiet (mit Ausnahme der Stadtteile Kralenriede, Weststadt und westliches Ringgebiet). Dort sollen Unterkünfte für jeweils ca.100 Flüchtlinge pro Standort (Mit Ausnahme ehemaliges Kreiswehrersatzamt mit ca. 500) entstehen.
C. Die erforderlichen finanziellen und stellenplanmäßigen Ressourcen werden in den Haushalt und den Stellenplan 2016 eingearbeitet bzw. im Rahmen einer über- bzw. außerplanmäßigen Bewilligung bis zum Inkrafttreten des Haushaltes 2016 bereitgestellt.
Die Stellenbesetzungen für diesen Aufgabenbereich erfolgen erforderlichenfalls im Vorgriff auf den Stellenplan 2016. Die konkrete Darstellung der erforderlichen Stellen erfolgt in einer gesonderten Vorlage.
Anlage/n:
Standortkonzept Flüchtlingsunterbringung
Kosten der Flüchtlingsunterbringung in der Haushaltsplanung 2016
![]() | ||||
Anlagen: | ||||
Nr. | Name | |||
![]() |
1 | Standortkonzept_Fluechtlinge (1149 KB) | ||
![]() |
2 | Kopie von Ausgaben für Flüchtlinge 1000 mit SGB II 2015-11-26GH aktuell (145 KB) |
|