Rat und Stadtbezirksräte
Vorlage - 17-03606
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Sachverhalt:
Die Verwaltung hatte aus Gründen der Haushaltskonsolidierung vorgeschlagen, den Bürgerhaushalt auszusetzen. Mit Haushaltsbeschluss vom 15. März 2016 hat der Rat beschlossen, das Bürgerhaushaltsverfahren für ein weiteres, drittes Jahr fortzusetzen und dabei auszuwerten. Gleichzeitig wurde die Verwaltung beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, wie der Bürgerhaushalt auf ein vom Haushaltsplanverfahren zeitlich unabhängiges Verfahren umgestellt werden kann.
- Auswertung des bisherigen Verfahrens
Das seit 2014 eingesetzte Verfahren des Bürgerhaushalts bietet den Einwohnerinnen und Einwohnern eine Möglichkeit, eigene Vorstellungen und Ideen zur Gestaltung Braunschweigs, die im Falle ihrer Realisierung haushaltsrelevant wären, in die politischen Beratungen des Rates und seiner Gremien einzubringen. Das bislang eingesetzte Verfahren des Bürgerhaushalts kann nach demnächst dreimaliger Durchführung inzwischen differenziert bewertet werden.
Positiv hervorzuheben ist insbesondere, dass die Möglichkeit der Teilnahme über eine Internetplattform grundsätzlich eine geringe Hürde für eine Beteiligung am Verfahren darstellt. Dies zeigt auch die allerdings zuletzt (2016) deutlich verringerte Anzahl aktiver Online-Teilnehmer gegenüber den Jahren 2014 und 2015 (s. u.). Über die bisherige Nutzung des Verfahrens hatte die Verwaltung mehrfach berichtet (DS 13790/14 vom 18.07.2014, DS 17451/15 vom 24.02.2015 und DS 14455/15 vom 03.06.2015).
Mit der Bewertung der Vorschläge durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurde eine Vorauswahl getroffen, so dass nicht sämtliche Bürgervorschläge ungefiltert einer näheren Prüfung unterzogen werden mussten. Auch dies ist unter den Aspekten der Legitimation und Arbeitsökonomie positiv zu bewerten.
Nachteilig zeigte sich demgegenüber, dass das Bürgerhaushaltsverfahren jeweils in das ohnehin überaus aufwändige und materialreiche Haushaltsplanaufstellungsverfahren integriert werden musste. Dadurch umfasste die aktive Phase des Bürgerhaushalts (Vorschlags- und Bewertungsphase) regelmäßig nur eine relativ kurze Zeitspanne, weil vor den Haushaltsberatungen noch Zeit für die Aufbereitung durch die Verwaltung benötigt wurde. Durch diese zeitliche Begrenzung konnten haushaltsrelevante Bürgerideen in der übrigen Zeit nicht in das politische Verfahren eingespeist werden.
Andererseits beträgt die Zeitspanne zwischen dem Einbringen eines (gesamtstädtischen) Vorschlags und seiner möglichen Umsetzung mindestens etwa 1 Jahr. Eine sehr kurzfristige Verwirklichung eines Zustimmung findenden Vorschlags ist somit ohnehin nicht möglich.
Zudem zeigten sich in der Praxis innere Widersprüche des bisherigen Verfahrens: Bei der Online-Bewertung werden die Teilnehmer ermutigt, über sämtliche Vorschläge abzustimmen, sodass die Bandbreite der Bewertungsskala regelmäßig ausgeschöpft wird. Über den parallel angebotenen Schriftweg werden dagegen regelmäßig nur Einzelvorschläge mit der Maximalpunktzahl bewertet, sodass für Vorschläge, deren Autoren gezielt Unterschriften sammeln, Top 75‑Platzierungen zustande kamen, die im Rahmen des differenzierteren elektronischen Verfahrens meist nicht ansatzweise erreicht würden.
Unter diesen Bedingungen hat sich der Bürgerhaushalt wie folgt entwickelt:
Während im Jahr 2014 noch 914 Vorschläge eingegangen sind und diese Zahl 2015 leicht gesteigert werden konnte (917 Vorschläge), wurden 2016 lediglich 462 Bürger-Vorschläge abgegeben (etwa -50% gegenüber den Vorjahren). Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass rund ein Viertel dieser Vorschläge bereits im Vorjahr in inhaltlich identischer Form vorgelegen hat.
Die Anzahl der aktiven Teilnehmer ist zwar von 2014 (1.647 Personen) zu 2015 (2.712 Personen) angestiegen, 2016 allerdings deutlich unter den Wert des ersten Jahres zurückgefallen (1.361 Personen). Im Jahr 2016 haben sich insgesamt nur wenig mehr als 0,5% der Einwohnerinnen und Einwohner Braunschweigs am Verfahren des Bürgerhaushalts beteiligt. Dieses zurückgehende Interesse entspricht den Erfahrungen aus anderen Großstädten.
Am Ende des ersten Bürgerhaushaltsverfahrens wurde vom Rat beschlossen, dass die Stadtbezirksräte die Bürger-Budgets auch für andere Zwecke als zur Verwirklichung von Bürgervorschlägen verwenden können. In dem darauf folgenden Verfahren wurde von den im Jahr 2015 gesammelten 215 bezirklichen Vorschlägen im Jahr 2016 lediglich ein einziger angenommen. Im ersten Jahr waren noch 31 von insgesamt 193 gesammelten Vorschlägen durch die Stadtbezirksräte angenommen worden. Im Jahr 2016 sind insgesamt 102 bezirkliche Bürger-Vorschläge eingegangen. Zahlen über politische Beschlüsse zu diesen Vorschlägen stehen abschließend erst Ende 2017 fest.
- Konzept des künftigen Verfahrens
Grundgedanke einer Neuregelung ist die verfahrensmäßige Entkoppelung des Bürgerhaushalts vom Haushaltsplanaufstellungsverfahren und die inhaltliche Weiterentwicklung zu einer mit dem städtischen Ideen- und Beschwerdemanagement integrierten Ideenbörse. Ziel bleibt es, die haushaltswirksamen Vorschläge, die einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung finden, auch künftig in einem klar definierten Verfahren administrativ und politisch zu bewerten. Hierzu soll ein neues elektronisches Beteiligungs-Portal geschaffen werden, das Bürgerinnen und Bürgern einen integrieten und dadurch leichter nutzbaren Weg eröffnet, Anregungen aller Art zu übermitteln.
Zurzeit betreibt die Stadt daher ein Ausschreibungsverfahren für ein Beteiligungs-Portal nach dem Modell der Stadt Frankfurt am Main (www.ffm.de), mit dem ein gemeinsamer Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu allen Beteiligungsangeboten der Stadt ermöglicht werden soll. Dort werden mehrere Beteiligungskanäle angeboten, u. a.:
- ein Mängelmelder (nicht Gegenstand dieser Betrachtung),
- eine Ideenplattform.
Auf der Ideenplattform können jederzeit Vorschläge aller Art veröffentlicht werden. Innerhalb von 8 Wochen nach der Veröffentlichung können registrierte Teilnehmer ihre Unterstützung des Vorschlages erklären. Ob der Vorschlag weiterverfolgt wird, hängt davon ab, ob mindestens 200 Teilnehmer als Unterstützer gewonnen werden. Das heißt, jeder Vorschlag hat seine eigene Bewertungsphase. Bei Vorschlägen mit der Mindestunterstützung schließt sich eine inhaltliche Prüfung und eine politische Bewertung an.
Eine solche Ideenplattform würde die Ziele der Neuregelung des Braunschweiger Verfahrens erfüllen. Auch wird weiterhin eine gewisse Vorauswahl der Bürger-Vorschläge erreicht. Allein die bisherige vergleichende Gewichtung entfällt, da bei einem unterjährig jederzeit verfügbaren Verfahren eine zeitgleiche Bewertungsphase aller Haushaltsvorschläge von Bürgern nicht möglich ist.
Die Verwaltung schlägt daher vor, das Verfahren in Anlehnung an das Frankfurter Beteiligungsangebot in dem neu einzurichtenden Beteiligungs-Portal zu integrieren und damit ein ganzheitliches Beteiligungsverfahren zu schaffen, das eine ganzjährige Eingabe von Vorschlägen aller Art (mit und ohne Haushaltsrelevanz, gesamtstädtisch oder bezirklich) ermöglicht. In der Leistungsbeschreibung zur Beschaffung eines Beteiligungsportals wird die Implementierung im 1. Halbjahr 2017 angestrebt, so dass auf der bisherigen Bürgerhaushalts-Plattform keine Vorschläge mehr gesammelt würden.
Mit dem Vorschlag wird den Erfahrungen aus den vergangenen drei Jahren Rechnung getragen. Durch die Aufhebung zeitlicher Begrenzungen und die Zusammenführung mit anderen Beteiligungsformen wie dem Ideen- und Beschwerdemanagement wird eine Beteiligung für die Bürgerinnen und Bürger Braunschweigs weiter vereinfacht und vereinheitlicht.
Beim Ideen- und Beschwerdemanagement sind bereits jetzt jederzeit Eingaben möglich. Die Suche nach dem geeignetsten unter mehreren Beteiligungsinstrumenten durch die Teilnehmer könnte entfallen. Durch Vermeidung von inhaltlich identischen Eingaben über verschiedene Beteiligungskanäle könnten etwaige doppelte Bearbeitungsvorgänge innerhalb der Stadtverwaltung vermieden werden.
Das Ideen- und Beschwerdemanagement hat sich als selbstverständliches Serviceangebot etabliert. Haushaltsneutrale Vorschläge würden daher wie bisher ohne Festlegung einer Anzahl von Mindestunterstützern vom Ideen- und Beschwerdemanagement an die fachlich zuständigen Organisationseinheiten zur Überprüfung weitergeleitet und die Bürgerinnen und Bürger über das Ergebnis der Überprüfung informiert.
Vorschläge mit Auswirkungen auf den Haushalt würden nur geprüft, wenn sie nach Frankfurter Muster eine Mindestzahl an Unterstützern gefunden haben. Unter Berücksichtigung der Größenverhältnisse Braunschweigs und der beim Bürgerhaushalt zum Erreichen der Top 75 durchschnittlich in etwa notwendigen Anzahl positiver Bewertungen wird vorgeschlagen, die für die Weiterverfolgung nötige Zahl an Unterstützern für eine Erprobungsphase auf 140 festzusetzen.
Vorschläge, die diese Voraussetzung erfüllen, werden durch die fachlich zuständigen Organisationseinheiten inhaltlich geprüft und einer Bewertung durch den zuständigen Stadtbezirksrat (bei bezirklichen Vorschlägen) oder den zuständigen Fachausschuss zugeführt. Bezirkliche Vorschläge können im Rahmen der Budget-Hoheit der Stadtbezirksräte umgesetzt werden. Auch bei anderen Vorschlägen könnte ‑ nach einem positiven Votum des Fachausschusses ‑ eine Umsetzung sofort erfolgen, wenn die Finanzierung aus vorhandenen Ansätzen möglich ist. Falls notwendige Haushaltsmittel nicht vorhanden sind, ist eine abschließende Entscheidung innerhalb des nächsten Haushaltsplanaufstellungsverfahrens grundsätzlich erforderlich.
Über die Bewertung des jeweiligen Vorschlags durch die Verwaltung/die zuständigen Fachgremien wird im Beteiligungs-Portal informiert.
Auch unabhängig vom Erreichen der geforderten Unterstützung können die öffentlich einsehbaren Vorschläge Rat und Stadtbezirksräten als Anregung dienen und als politische Anträge aufgegriffen werden.
- Finanzielle Auswirkungen
Die durch den Verzicht auf das bisherige Verfahren mittelfristig wegfallenden Kosten für den Betrieb der Bürgerhaushalts-Plattform incl. der Begleitung (Moderation etc.) durch einen externen Berater in Höhe von rund 20.000.- € und die für die interne Bearbeitung vorgehaltene Stelle werden für den Betrieb der im neuen Beteiligungsportal integrierten Ideenplattform benötigt. Eine den Haushalt entlastende Wirkung tritt nicht ein.
Durch einzuhaltende Kündigungsfristen könnten einmalige Mehraufwendungen im Jahr 2017 entstehen.
Bezogen auf die bisherigen Bürger-Budgets der Stadtbezirksräte (rd. 125.000 €) ist nach den oben dargestellten Entwicklungen zu erwarten, dass diese in den originären Budgets der jeweiligen Stadtbezirksräte aufgehen werden. Insoweit ergibt sich zunächst keine weitere Auswirkung auf den städtischen Haushalt und die bezirklich zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Beschluss:
„Der Bürgerhaushalt geht ab Frühjahr 2017 in einem vom Haushaltsplanverfahren zeitlich unabhängigen, unterjährig zur Verfügung stehenden Angebot eines neuen Beteiligungs-Portals auf.“
Anlage/n:
keine
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