Rat und Stadtbezirksräte

Vorlage - 20-14684  

Betreff: Modellprojekt: Bordell in Selbstverwaltung
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag (öffentlich)
Federführend:0100 Steuerungsdienst   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und Gesundheit Vorberatung
19.11.2020 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit geändert beschlossen   
Finanz- und Personalausschuss Vorberatung
26.11.2020 
Sitzung des Finanz- und Personalausschusses geändert beschlossen   
Verwaltungsausschuss Vorberatung
08.12.2020    Sitzung des Verwaltungsausschusses      
Rat der Stadt Braunschweig Entscheidung
16.12.2020 
Sitzung des Rates der Stadt Braunschweig geändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt:

Unbestritten gibt es Menschenhandel, Zuhälterei, Zwangsarbeit im Sexgewerbe, Bandenkriminalität uvm. Die Zuständigkeiten zur Bekämpfung und Eindämmung dieser Vergehen liegen hauptsächlich bei den Polizeibehörden sowie den Gerichten. Für eine Kommune gibt es nur begrenzt Möglichkeiten einzugreifen, um diese Straftaten einzudämmen.
 

Die Stadt Braunschweig soll ein Lösungsmodell ermöglichen, welches die unterschiedlichsten Aspekte zur legalen, selbstbestimmten Sexarbeit aufgreift. So kann es helfen
bei der gewerblichen Ausübung der Sexarbeit und der Umsetzung der damit verbundenen Gesetze,
Frauenhandel und Ausbeutung zu bekämpfen, Straftaten im Umfeld zu verhindern, Tabus aufzulösen sowie Ängste und Befürchtungen zu minimieren.
 

Die derzeit einseitig geprägte Diskussion um Bordelle und bordellartige Betriebe hat zahlreiche Ängste, Empörung und Vorurteile zutage gebracht. Unabhängig einer Wertung unsererseits - machen die bisher zu Wort Gekommenen deutlich, dass sie kein Sexgewerbe in ihrer nachbarschaftlichen Nähe wollen.
 

Damit wird es Menschen, die legal und selbstbestimmt der Sexarbeit nachgehen möchten, fast unmöglich gemacht ihren Beruf auszuüben. Ein hart umkämpfter Immobilien- und Gewerbemarkt sowie Restriktionen bieten nur wenige legale Möglichkeiten. Ergo wird die Verhinderung einer solchen Gewerbeansiedlung nicht dazu führen, dass weniger Kriminalität und Gewalt rund um die Sexarbeit stattfinden – stattdessen muss damit gerechnet werden, dass Menschen in die Illegalität und unsichere Arbeitsverhältnisse gedrängt werden - somit ein Anstieg von Straftaten zu verzeichnen ist.
 

Dabei ist der Beruf anerkannt und kann legal ausgeübt werden. Sexarbeitende haben einen rechtlichen Anspruch auf vereinbartes Entgelt sowie Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen. Die Berufsausübung ist als selbständige Tätigkeit oder in einem Arbeitnehmerverhältnis möglich. [2]
 

Ziel muss es daher sein, der Schutzlosigkeit, der Verdrängung in die Illegalität und damit den Verbrechen rund um die Sexarbeit, der Ausgrenzung und gesellschaftlichen Stigmatisierung sowie weiteren Ressentiments eine weitsichtige Lösung entgegen zu setzen.
 

Begründung zu 1.)

Ein städtisches Bordell kann das leisten und würde die Arbeitsbedingungen von Sexarbeitenden grundlegend verändern. Die Stadt kann damit Rahmenbedingungen schaffen, die ein legales Arbeiten in einem geschützten Umfeld ermöglichen. Es bietet mehr Zugang für die aufsuchende Sozialarbeit als bisher, kann zielgerichteter Hilfs- und Beratungsangebote unterbreiten und helfen die gesetzlichen Rechte und Pflichten umzusetzten. Mit einer Selbstverwaltung – also Selbstständigkeit und Selbstorganisation – wird der Selbstbestimmung der Berufstätigen Rechnung getragen, sie tragen zu guten Arbeitsbedingungen ohne Missstände bei.
 

Mit der Umsetzung des Antrages trägt die Verwaltung nicht nur zur Enttabuisierung, sondern auch zur Gleichbehandlung der Sexarbeit als legales Gewerbe anderen Gewerben gegenüber bei. Auch andere Gewerbe nutzen stadteigene Räumlichkeiten. Das Modellprojekt in Amsterdam aus 2017 könnte als Orientierung zur Umsetzung dienen. [3]

 

Begründung zu 2.)

Soweit uns bekannt, gibt es in Braunschweig keinen Runden Tisch Sexarbeit, an dem alle relevanten Beteiligten sitzen und ihre Belange zur Sprache bringen können. Daher beantragen wir einen solchen Runden Tisch, an dem neben der Stadtverwaltung mit Gesundheits-, Sozial-, Ordnungsamt, Ausländerbehörde u.a. sowie Polizei und Staatsanwaltschaft, das Finanzamt, die Agentur für Arbeit, den Hilfsorganisationen und Beratungsstellen auch Sexarbeitende sowie Bordellbetreibende eine Stimme haben.
 

Die Notwendigkeit sehen wir als gegeben – auch im Hinblick auf die aktuelle Debatte – um so mehr von Beteiligten über ihre Probleme und Belange zu erfahren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.



Begründung zu 3.)

Das Dortmunder Modell - welches seit 2002 existiert und dort parteiübergreifend als sehr erfolgreich angesehen wird – beinhaltet einen Maßnahmenkatalog für die Vorgehensweise im Zusammenhang mit Sexarbeit. Die Maßnahmen daraus mögen als Orientierung verstanden werden, um in Braunschweig ein legales und sicheres Umfeld zur selbstbestimmten Berufsausübung der Sexarbeitenden zu schaffen und der Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung entgegen zu wirken. [4,5,6]

 

Quellen:

[1] https://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/sicherheit_und_recht/ordnungsamt/sicherheitordnungverkehr/prostitutionsausuebung/prostitution.html

[2] https://www.gesetze-im-internet.de/prostg/BJNR398310001.html

[3] https://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/aktuelles/archiv/2015/februar/0210prostitution.html

[4] https://www.lokalkompass.de/dortmund-city/c-politik/cdu-sieht-erfolge-des-dortmunder-modells-in-gefahr_a1432089

[5] https://www.lokalkompass.de/dortmund-city/c-politik/christina-wir-machen-das-freiwillig_a1402995

[6] http://mitternachtsmission.de/wp-content/uploads/2018/07/JB-17-gesamt.pdf

 

 


1.) Die Verwaltung wird gebeten. den Aufbau eines Bordells bzw. bordellartigen Betriebes in einer stadteigenen Räumlichkeit zu initiieren, welches in Selbstverwaltung von Sexarbeitenden geführt werden soll.
 

2.) Die Stadtverwaltung wird einen „Runden Tisch Sexarbeit“ ins Leben rufen, an dem zukünftig alle relevanten Beteiligten mitreden können.
 

3.) Außerdem wird geprüft, ob Braunschweig die im Dortmunder Modell (Stadt Dortmund, Beschluss Verwaltungsvorstand, 19.03.2002) aufgeführten Maßnahmen adaptieren kann, auch um illegale Sexarbeit sowie diverse damit einhergehende Straftaten (wie Menschenhandel, organisierte Kriminalität usw.) auf kommunaler Ebene zurückzudrängen. [1]
 

Die notwendigen Mittel sind im Haushalt bereitzustellen.
Über den Fortgang wird halbjährlich im Ausschuss für Soziales und Gesundheit unterrichtet.

 

 


Anlagen:
keine

 

Erläuterungen und Hinweise