Begründung: Sachverhalt: Bei der Diskussion um den Erhalt oder die abschnittsweise Fällung der Bäume auf dem Mittelstreifen der Jasperallee zwischen Theater und Altewiekring wird sehr emotional um die beste Lösung gestritten, was bei einer Baumallee mit dieser zentralen Bedeutung in der Stadt verständlich ist. (Die verschiedenen Stadtpunkte werden unten noch einmal zusammenfassend dargestellt.) Die sehr gegensätzlichen Positionen haben das Potenzial die Stadtgesellschaft zu spalten. Es erscheint daher sehr wichtig zu einer von vielen Bürgerinnen und Bürgern mitgetragenen Entscheidung zu gelangen, bei der es möglichst keine Verlierer gibt. Aufgrund der oben dargestellten gegensätzlichen Positionen erscheint ein Moratorium die angemessene Lösung. Ziel des Moratoriums ist es, eine möglichst breite Bürgerbeteiligung zu initiieren und zu erreichen. Ein Moratorium ist ein für eine bestimmte Zeitdauer vereinbartes Stillhalteabkommen, das dazu dient bei anscheinend unvereinbar unterschiedlichen Interessen Kompromisslösungen oder in anderer Form akzeptable Vereinbarungen zu erzielen. Grundsatz eines Moratoriums ist, dass keine der Beteiligten während des Moratoriums vorteilhaft behandelt wird. Daher muss während des Moratoriums sowohl auf eine (partielle) Fällung der Bäume verzichtet werden als auch auf eine Nachbepflanzung der Lücken. Ebenso muss die optimale Pflege des Baumbestandes sichergestellt sein, damit weitestgehend ausgeschlossen wird, dass durch das „Stillhalten“ selbst der vorhandene Baumbestand sich negativ entwickelt. Jüngst in die Diskussion eingebrachte Vorschläge wie z.B. die von der Verwaltung vorgeschlagene Neupflanzung von 6m hohen Linden (unter Inkaufnahme der Fällung vorhandener Silberahorne) auf einer Art „Experimentierfeld“ (ca. 8 Bäume), zur Beobachtung der Entwicklung z.B. in den nächsten vier Jahren vorzunehmen (und die übrigen Bestandsbäume in diesem Zeitraum zu erhalten), können ebenfalls Gegenstand des Entscheidungsprozesses im Rahmen des Moratoriums sein. Um keine Seite zu bevorteilen, müsste es dann allerdings auch ein gleichgroßes „Experimentierfeld“ geben, in dem Bäume nachgepflanzt werden. In beiden Fällen müssten die Pflegeanstrengungen vergleichbar intensiv sein. Ebenso sollte es Möglichkeiten geben, das sog. Tree-Life-Verfahren versuchsweise zu erproben. Zum Baumbestand der Jasperallee gibt es zudem noch viele offene Fragen, der Klärung im Einzelfall längere Zeit in Anspruch nehmen kann. Der partizipatorische Ansatz des Entscheidungsfindungsprozesses gibt die Möglichkeit alle offenen Fragen in der gebotenen Tiefe und ohne Zeitdruck zu diskutieren. Es ist daher das Verfahren, das die größten Chancen dafür bietet, am Ende zu einer Lösung zu kommen, die von möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen wird. Ein Moratorium erscheint hier auch insofern angebracht zu sein, da im Hinblick auf die Frage der zukünftigen Gestaltung des Baumbestandes an der Jasperallee kein ausgeprägter Zeitdruck besteht. Vor dem Hintergrund der Vielzahl der o.g. gegensätzlichen Standpunkte und offenen Fragen erscheint ein Moratorium mit Bürgerbeteiligungsprozess nach dem Vorbild z.B. der Hagenmarktgestaltung sinnvoll. Zusammenfassung der gegensätzlichen Standpunkte Die Jasperallee weist auf alleeartig ausgebildetem Mittelstreifen zwischen Theater und Altewiekring ca. 114 Baumstandorte auf. Davon sind derzeit ca. 27 nicht belegt infolge abgängiger Bäume, die gefällt werden mussten. Die verbleibenden 86 Baumstandorte bestehen zum größten Teil aus ca. 65-jährigen Silberahornen (Acer saccharinum) und zu einem geringen Anteil (ca. 30) aus Bergahorn und Spitzahorn. Die Verwaltung beklagt, dass etwa bei der Hälfte der verbliebenen Silberahorne umfangreiche Schädigungen festzustellen seien, so dass es fraglich ist, ob das zu erwartende Durchschinttsalter von ca. 100 Jahren an diesem Standort erreicht wird. Durch die entstandenen Lücken gehe der Alleecharakter verloren. Die Konkurrenz der Altbäume um Licht, Wurzelraum, Wasser und Nährstoffe lasse eine Bepflanzung der Lücken durch junge Bäume als wenig aussichtsreich erscheinen. Dabei durchgeführte Bodenverbesserungen würden in den Wurzelraum der Bestandsbäume eingreifen. Die Verwaltung favorisiert daher die abschnittsweise Entfernung des vorhandenen Bestandes innerhalb von drei Jahren und Ersatz durch bereits 6m große Linden. Die Kosten dafür werden mit 390.000.- Euro veranschlagt. Von verschiedenen Seiten werden Denkmalschutzgründe sowie ästhetische Gesichtspunkte (z.B. Sichtachsen) für die (Neu-)Gestaltung des Baumbestandes in Form einer Lindenallee mit möglichst einheitlich geformtem Baumbestand angeführt. Engagierte Bürger und viele Anwohner der Jasperallee fordern dagegen den bestehenden Baumbestandes zu erhalten und ihm die optimale Pflege angedeihen zu lassen. Gleichzeitig sollen Lücken mit (kleineren) Linden nachgepflanzt werden, da kleinere Baumexemplare bessere Entwicklungschancen haben als größere. Da Silberahorn eine Baumart ist, die sehr viel Licht durchlässt, Linden dagegen eher im Halbschatten gedeihen sei die Lichtkonkurrenz zu vernachlässigen. Verbesserungen der Wuchsbedingungen können durch moderne Verfahren wie z.B. das Tree-Life-Verfahren, bei dem Boden mit Hilfe von Bodenlanzen Nährstoffe etc. zugeführt werden, auch am vorhandenen Baumbestand durchgeführt werden, ohne diesen zu schädigen. Allerdings ist hier erst einmal die fachliche Expertise einzuholen, ob das Tree-Life-Verfahren untern den Gegebenheiten der Jasperallee überhaupt einsetzbar ist, und was es kostet. Die nachgepflanzten Junglinden hätten das Potenzial sich mit ihrem Wurzelwerk in den vorhandenen Lücken anzupassen und zu interagieren. Linden als Halbschattenpflanze würden auch in den Baumlücken gedeihen. Dem setzt die Stadt ein Gutachten entgegen, demzufolge, der Untergrund mit Bauschutt kontaminiert sein soll, so dass nur ein Bodenaustausch auf größeren Flächen gute Wuchsbedingungen für Bäume schaffen würde. Auch diese Aussage müsste durch eine angemessene Anzahl Probegrabungen verifiziert werden, um das Ausmaß der Bauschuttbelastungen sowie evtl. davon ausgehender wuchsmindernder stofflicher Belastungen exakt einschätzen zu können. Auf der anderen Seite sieht das Gutachten 65 Bäume als mittelfristig erhaltungswürdig und empfiehlt das Gutachten nur bei 5 Bäumen die Fällung. Werden bei diesen Bäumen jedoch detaillierte Probebohrungen durchgeführt, wird in allen Fällen die Einstufung in „erhaltungswürdig“ revidiert. Für die „Vitalitätsbeurteilung von Bäumen“ (Roloff 2018) sowie für die „Baumpflege“ (Roloff 2013) sind die Werke von Prof. Dr. Roloff (Dresden/Tharandt) Standardwerke mit zentraler Bedeutung für die Praxis vor allem im Umgang mit Bäumen im städtischen Umfeld. Demzufolge lässt sich aus dem Ergebnis einer Vitalitätsbeurteilung eines Baumes als „deutlich geschädigt“ nicht ableiten, „dass diese Bäume gefährlich sind oder gar abgesägt werden müssen, weil sie keine Zukunftserwartung mehr hätten! .. Eine solche (Fehl-)Entscheidung wäre fatal. Denn dann würden viele Bäume unnötig abgesägt.“ Die Baumkontrollrichtlinien der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL 2010) besagen zudem: „Da vitale Bäume nicht unbedingt verkehrssicherer sind muss zwischen Vitalität und Stand-/Bruchsicherheit unterschieden werden.“ D.h. es besteht kein Zusammenhang zwischen Vitalität und Verkehrssicherheit eines Baumes. Nach Aussagen des Fachbereichs Stadtgrün und Sport geht von den (geschädigten) Bäumen der Jasperallee kein Sicherheitsrisiko aus. Allerdings ist dazu ein erhöhter Pflegeaufwand erforderlich. Die Gestaltung einer Allee mit verschiedenen Baumarten entspricht eher ökologischen Prinzipien, insbesondere ergänzten sich vor allem aus Sicht der Blütenbesucher (z.B. Bienen) Linde und Silberahorn sehr gut, da der Silberahorn ein Frühblüher, die Linde dagegen ein Spätblüher sei. Eine zinnsoldatenartige Einheitlichkeit des Baumbestandes im Hinblick auf Art und Größe der Alleebäume wird abgelehnt – dies sei auch nicht Bestandteil der Definition von Alleen und ebenso wenig von den Denkmalschutzbestimmungen für die Jasperallee vorgegeben. Der diesjährige extrem heiße Sommer mit extrem langen Dürreperioden, der landläufig als Ausdruck des Klimawandels verstanden wird, macht deutlich, dass gerade in der Stadt auf keinen Baum verzichtet werden kann. Dies betrifft insbesondere ältere Bäume. Vor dem Hintergrund dieser dramatischen Situation scheinen architektonisch-ästhetische oder vom Denkmalschutz inspirierte Gesichtspunkte, die den Ersatz lebender Bäume durch andere Arten bzw. z.B. für die Schaffung von Sichtachsen sogar den Verzicht auf Baumpflanzungen fordern, nicht mehr zeitgemäß. Hierzu sagt auch Roloff (2018) „Der Denkmalschutz muss auch durch den zu erwartenden Klimawandel flexibler werden, ein zu starres Festhalten an den Ausgangsverhältnissen …kann nicht mehr zielführend sein.“ Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein Denkmalschutzziel bei der „eine durchgängig identische Baumart und die vollständige symmetrische Anordnung der Baumreihen“ um den „von Einheitlichkeit und Symmetrie geprägten Alleecharakter zu stärken“ (Zitat Verwaltung) angestrebt wird, noch zeitgemäß ist. Dazu fehlen zudem Dokumente die dieses Leitbild tatsächlich belegen. Historische Fotos der Japserallee zeigen durchaus unterschiedlich große Baumindividuen. Ebenso fehlt bisher eine Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalschutz. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Jasperallee erst 2012 für 1,61 Mio Euro saniert wurde. Diese umfangreichen Sanierungsmaßnahmen bezogen sich nach Ds. 14760/11 vom 9.11.2011 auf den „gesamten Querschnitt der Jasperallee im Abschnitt zwischen Theater und Ring“, beinhaltete somit auch die Sanierung des „breiten baumbestandenen Grünstreifens in der Mitte der Straße mit einem mittigen Gehweg“. Es erscheint wenig nachvollziehbar, warum im Rahmen der damaligen Komplettsanierung das Thema „denkmalgerechte Rekonstruktion einer Baumallee“ nicht direkt mit aufgegriffen wurde, zumal Fotos belegen, dass der Baumbestand damals nicht besser oder schlechter aussah als heute. Jetzt müsste hier der erst vor kurzem hergerichtete Grünstreifen in der Mitte der Straße erneut aufgerissen werden (s. Fotos in der Anlage zur Drucksache). .Naturschützer weisen darauf hin, dass gestresste Baumindividuen i.d.R. eine reichhaltigere Insektenfauna (bzgl. Vielfalt und Seltenheit) enthalten. Damit ist gerade der Erhalt älterer Baumindividuen, auch wenn sie gesundheitlich angegriffen sind, ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Biodiversitätsförderung. Auf der andren Seite handelt es sich bei Acer saccharinum um eine nicht heimische Baumart. Diese werden grundsätzlich von weniger Insektenarten besiedelt. Ältere Bäume leisten einen erheblich größeren Beitrag zur Sauerstoffproduktion, als Feinstaubfilter und zum Klimaausgleich (Temparaturabsenkung, Erhöhung Luftfeuchtigkeit) als junge Bäume. Bei Fällung und Neubepflanzung werden nach einem Gutachten der TU die o.g. Klimaschutzfunktionen erst nach 20 Jahren wieder erreicht. Braunschweig, 14.09.2018 Wolfgang Büchs BIBS-Fraktion
Um die gegensätzlichen Interessenslagen durch eine längerfristige Entscheidungsfindung mit möglichst breiter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger, Politik und Experten besser ausloten zu können wird ein Moratorium für die Dauer von 2-4 Jahren vereinbart. (Der als geeignet betrachtete Zeitraum wird im Gremienlauf in Absprache mit Verwaltung und Gremienmitgliedern als ergänzende Protokollnotiz festgelegt.) In der Zeit des Moratoriums werden für die vorhandenen ca. 86 Bäume durch bestmögliche Pflegemaßnahmen möglichst optimale Lebensbedingungen geschaffen. Eine ausnahmsweise Fällung von einzelnen Exemplaren darf nur erfolgen,
Die Zeit des Moratoriums wird genutzt, um
Anlagen: keine
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