Sachverhalt: Installation eines Psychosozialen Krisendienstes in der Stadt Braunschweig ab 1. April 2019, verortet beim Gesundheitsamt der Stadt Braunschweig
1. Rückblick Der Kommunale Fachbeirat des Sozialpsychiatrischen Verbundes in Braunschweig hat in seiner 39. Sitzung am 22.06.2016 unter dem Vorsitz von Frau Dr. Hanke beschlossen, die nachstehend aufgeführte Konzeption als Antrag für den Haushalt beziehungsweise den Stellenplan der Stadt Braunschweig auf den Weg zu bringen.
Ein wichtiges Ziel der Stadt Braunschweig ist es, die Anzahl der Zwangseinweisungen nach dem Niedersächsischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Psychisch Kranke (NPsychKG) vom 16. Juni 1997 zu verringern. Braunschweig lag in der Vergangenheit mit den PsychKG-Fallzahlen im niedersächsischen Vergleich hoch. Durch Schulungen aller an dem Verfahren zur Zwangseinweisung Beteiligten in 2015 konnten die Zahlen gesenkt werden. Allerdings besteht weiter Optimierungsbedarf. Um die Anzahl weiterhin senken zu können, bedarf es eines Angebots zur Krisenintervention in den Abendstunden und an den Wochenenden. Damit können Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen und deren Angehörigen fachliche Angebote im Vorfeld und Gespräche zur Deeskalation einer Krise in Anspruch nehmen. Bei Suizidgefährdung sind zeitnahe Gespräche wichtige Instrumente zur Verhinderung des Vollzuges.
Seit Langem fordern Angehörige und Psychiatrieerfahrene einen Psychosozialen Krisendienst in Braunschweig. Der Krisendienst soll mit pädagogischen und pflegerischen Fachkräften besetzt werden, die als Honorarkräfte in Rufbereitschaft für die Stadt Braunschweig tätig sind. Sowohl die Region Hannover als auch die Landkreise Gifhorn und Peine sowie die Stadt Wolfsburg verfügen über einen Krisendienst, der für die psychisch Erkrankten am Freitag, am Wochenende und an den Feiertagen erreichbar ist.
2. Gesetzliche Grundlagen Das Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) vom 21. September 2017 enthält wesentliche Neuerungen und Ergänzungen. So ist der § 6 „Arten und Ziele der Hilfen“ im Absatz 5 ergänzt: „Die Hilfen sind wohnortnah und so weit wie möglich ambulant zu leisten, sodass die betroffene Person in ihrem gewohnten Lebensbereich verbleiben kann. Die Landkreise und kreisfreien Städte haben darauf hinzuwirken, dass Angebote der nicht klinisch-stationären, der teilstationären und der ambulanten Versorgung, einschließlich der Hilfen in Krisensituationen, der Prävention und Rehabilitation sowie der sozialen und pädagogischen Dienste in Anspruch genommen werden können.“
Der Landespsychiatrieplan Niedersachsen, der im April 2016 im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) veröffentlicht wurde, enthält Vorgaben zur Umsetzung eines Psychosozialen Krisendienstes. Darin heißt es: „Die Hilfen in Krisen müssen verbessert werden. Diese Angebote müssen - insbesondere auch abends/nachts und am Wochenende - über verbindliche Krisendienstregelungen sichergestellt werden. Dabei sind neben dem Sozialpsychiatrischen Dienst weitere Akteure einzubeziehen, auch die niedergelassenen Praxen durch Notfallsprechstunden und kurzfristige Clearing-Möglichkeiten…“.
3. Konzept zur Umsetzung: Im Februar 2018 hat der Geschäftsführer des Sozialpsychiatrischen Verbundes in Braunschweig (Sozialpsychiatrischer Dienst Stadt Braunschweig) eine Umfrage unter sozialpädagogischen und pflegerischen Kräften durchgeführt, die über mehrjährige psychiatrische Erfahrung verfügen. Es haben sich mehr als 60 Sozialpädagogen/innen und Pflegekräfte gemeldet, die Interesse an einer Teilnahme des Psychosozialen Krisendienstes haben.
Eine Informationsveranstaltung des Gesundheitsamtes für die Interessierten fand am 22.06.2018 statt. Der Krisendienst soll in Form einer Rufbereitschaft installiert werden. Hier wird auf Erfahrungen des Krisendienstes Münster und des Krisendienstes Peine zurückgegriffen. Danach ist bekannt, dass über die Hälfte der Fragestellungen und Probleme im Rahmen von Telefongesprächen bewältigt werden kann. Es sind bei Bedarf Hausbesuche erforderlich, die grundsätzlich zu zweit durchgeführt werden müssen. Bei Bedarf ist eine ärztliche Vorstellung in der Psychiatrischen Notfallambulanz des Städtischen Klinikums Braunschweig zur Notfallbehandlung möglich. Die Abrechnung der dortigen Behandlung erfolgt nach dem SGB V. Entsprechende Gespräche haben mit dem Ärztlichen Direktor und dem Chefarzt der Psychiatrischen Klinik des Städtischen Klinikums Braunschweig stattgefunden. Es wurde eine zweijährige Probephase mit entsprechender Evaluation vereinbart. Mit der Kassenärztlichen Vereinigung Braunschweig (KVN) laufen konkrete Gespräche, damit psychisch Erkrankten bei Bedarf zeitnahe Behandlungstermine nach einer krisenhaften Zuspitzung ihrer Erkrankung am Wochenende bei niedergelassenen Nervenärzten oder psychologischen Psychotherapeuten verlässlich zur Verfügung stehen. Die Konzeption des Krisendienstes ist aus amtsärztlicher und psychiatrischer Sicht geeignet, psychiatrische Krisen zu deeskalieren, Zwangseinweisungen teilweise zu vermeiden, Suizidgefährdung entgegenzuwirken und die Versorgung schwer psychisch Kranker zu verbessern.
Anfang 2019 wird eine Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Krisendienst zu fachlichen Inhalten, Verfahrensabläufen und Logistik stattfinden. Der Krisendienst soll zum 1. April 2019 an den Start gehen.
4. Finanzbedarf: Für 2019 und 2020 ergibt sich ein Finanzbedarf von:
Personalkosten jährlich i. H. v. rd. 21.500 € Beschäftigungsentgelte (Honorarkosten) i. H. v. rd. 62.300 € _______ 83.800 €
Personalkosten im Sozialpsychiatrischen Dienst entstehen durch zusätzliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Bereitstellung des Krisendienstes: Durchführung von Schulungen, Abschließen von Honorarverträgen, Erstellen der Einsatzpläne, Koordination bei Krankheit, Urlaub und Diensttausch, Ansprechpartner für alle inhaltlichen und organisatorischen Probleme im Einsatzgeschehen, Feststellen der sachlichen Richtigkeit der Abrechnungen, Fertigen der Quartals- und der Jahresstatistik sowie der Evaluation. Diese Tätigkeit soll aufgrund ihrer herausgehobenen Bedeutung durch den Koordinator des Sozialpsychiatrischen Dienstes wahrgenommen werden. Hierfür werden 10 Stunden wöchentlich veranschlagt. Eine Kompensation soll durch eine/n in der psychosozialen Arbeit berufserfahrene/n hauptamtliche/n Mitarbeiter/in sichergestellt werden.
Die Verwaltung wird im Rahmen der Beratungen zum Haushalt 2019 eine entsprechende Ansatzerhöhung beim Teilhaushalt des Fachbereichs 50 und Änderung des Stellenplanes vorschlagen.
Bei der Gestaltung der Honorarverträge ist der Fachbereich Zentrale Dienste zwingend zu beteiligen.
5. Evaluation: Mit dem Klinikum Braunschweig ist eine zweijährige Probephase mit entsprechender Evaluation vereinbart. Controlling und Statistik sind entsprechend zu führen. Harte wissenschaftliche Daten für den Erfolg eines Psychosozialen Krisendienstes im Management von Suizidgefährdung, drohendem stationären Aufenthalt oder gar drohender Zwangseinweisung nach PsychKG lassen sich naturgemäß nicht anführen, weil der Krisendienst einer der Bausteine im komplexen Versorgungssystem psychisch Erkrankter ist.
Fakt allerdings ist, dass sich mit der Implementierung von Krisendiensten, neben anderen Versorgungsstrukturen, in Deutschland die Anzahl der Suizide und der Einweisungen nach NPsychKG an Wochenenden deutlich vermindert hat.
Beschluss: Das Gesundheitsamt Braunschweig installiert ab 1. April 2019 einen Psychosozialen Krisendienst, um auch an Wochenenden und Feiertagen psychiatrische Krisen zu deeskalieren, Zwangseinweisungen teilweise zu vermeiden, Suizidgefährdung entgegenzuwirken und die Versorgung schwer psychisch Kranker entsprechend der Vorgaben des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) und des Landespsychiatrieplanes zu verbessern.
Anlage/n: Konzeption des Psychosozialen Krisendienstes
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