Sachverhalt:
Die Stadt Braunschweig betreibt kraft Gesetzes auf der Grundlage des § 44 b Abs. 1 SGB II gemeinsam mit der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar eine gemeinsame Einrichtung (gE), das Jobcenter Braunschweig. Dieser ist die Aufgabenwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II im vollen Umfang übertragen worden. Zu dieser Aufgabenwahrnehmung gehört auch die Verfolgung und der Einzug von Forderungen im Rahmen der kommunalen Trägerschaft nach § 6 Abs. 1, Nr. 2 SGB II bzw. der Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit (BA). Hierfür wurden der gE gemäß § 44 f Abs. 1 SGB II die Haushaltsmittel der BA gesetzlich übertragen.
Auf der Grundlage der Förderalismusreform war eine bundesgesetzliche Übertragung der kommunalen Haushaltsmittel an die gE nicht zulässig und ist daher in § 44 f Abs. 4 SGB II lediglich als Option aufgenommen worden. Eine entsprechende Übertragung kommunaler Haushaltsmittel setzt einen Gremienbeschluss der Stadt Braunschweig auf der Grundlage des § 127 NKomVG voraus.
Die Stadt Braunschweig hat entgegen der überwiegenden Zahl der kommunalen Träger des SGB II im Land Niedersachsen bisher die erforderlichen Haushaltsmittel zur Durchführung des Forderungseinzugs nicht an die gE übertragen. Aus diesem Grund ist die seit dem 1. Januar 2016 im gegenseitigen Einvernehmen zwischen der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar und der Stadt Braunschweig geduldete Fortsetzung des Einzugs von kommunalen Haushaltsmitteln im Wege des Forderungseinzugs der BA rechtlich nicht mehr zulässig. Es steht dabei nicht zu erwarten, dass die Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar die Fortsetzung dieser Praxis über den 31. Dezember 2018 hinaus dulden wird.
Die bis dato praktizierte Form diente dem Interesse der Stadt Braunschweig an der Verhinderung des Eintretens von Verjährungen wegen unterbrochener Forderungsverfolgung. Der FB 50 konnte sich im Jahr 2015 im Rahmen einer zweitägigen Hospitation beim Inkasso-Service der BA in Recklinghausen von der professionellen Umsetzung des Forderungseinzugs überzeugen. Weder die Stadt Braunschweig noch das Jobcenter Braunschweig verfügen derzeit über die erforderlichen personellen und sachlichen Ressourcen, um qualitativ und quantitativ einen gleichwertigen Forderungseinzug ausführen zu können.
Die Kosten für die Durchführung des Forderungseinzugs der BA werden aus Mitteln des Verwaltungskostenbudgets des Jobcenters Braunschweig bestritten. Die Kosten beliefen sich für das Haushaltsjahr 2017 auf insgesamt 118.134,81 €. Hieran ist die Stadt Braunschweig im Rahmen des kommunalen Finanzierungsanteils (KFA, 15,2 %) in Höhe von 17.956,49 € beteiligt gewesen.
Wesentliche Grundlage für diese Kosten ist der Kostensatz für so genannte zahlungsgestörte Belege in Höhe von 4,83 € der Dienstleistung O.8 des Service-Portfolios der BA für das Jahr 2016, bei dreijähriger vertraglicher Bindung. Ab dem 1. Januar 2018 hat die BA diesen Kostensatz auf 19,42 € und somit um ca. 400% erhöht auf Grund einer geänderten Abrechnungssystematik. Die BA hat bisher noch nicht das Service-Portfolio für das Jahr 2019 veröffentlicht, so dass die zukünftige Kostenentwicklung zu diesem Zeitpunkt noch nicht kalkuliert werden kann. Das Jobcenter Braunschweig hat jedoch bereits die internen Abläufe verändert um die Anzahl der abzurechnenden Belege deutlich zu reduzieren. Hierdurch soll vermieden werden, dass ab 2019 erhebliche Mehraufwendungen für den Forderungseinzug der BA und in der Folge für den KFA der Stadt Braunschweig entstehen.
Nach über zweijährigen Verhandlungen der kommunalen Spitzenverbände des Landes Niedersachsen mit der BA, dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichberechtigung sowie dem Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, an denen der FB 50 beteiligt gewesen ist, konnte vor längerer Zeit der als Anlage beigefügte trilaterale Entwurf einer Zusatzvereinbarung zur Dienstleistung O.8 -Forderungseinzug- ausgehandelt werden. Diese Vereinbarung sowie die hierzu nachfolgend aufgezeigten gesondert zu fassenden kommunalen Gremienbeschlüsse versetzen die kommunalen Träger des SGB II im Land Niedersachsen nunmehr in die Lage, den Forderungseinzug der kommunalen Haushaltsmittel SGB II rechtmäßig durch die BA durchführen lassen zu können.
Alternativ zum Abschluss der Zusatzverwaltungsvereinbarung besteht auch die Möglichkeit, dem Jobcenter Braunschweig die Haushaltsmittel und Kassengeschäfte vollständig im Sinne des § 127 NKomVG zu übertragen. Das Jobcenter müsste in diesem Fall die Aufgabe des Forderungseinzugs der Haushaltsmittel der Stadt Braunschweig im Rechtskreis des SGB II allumfänglich selbst ausführen. Hierzu stehen jedoch dort die notwendigen personellen und sachlichen Ressourcen nicht zur Verfügung, deren Bereitstellung einen deutlich höheren Aufwand im Bereich der Verwaltungskosten sowie des KFA zur Folge hätte.
Nach Berechnung des Jobcenters würde eine eigene Wahrnehmung des Fordereinzugs sieben Vollzeitstellen erfordern mit einem reinen Personalaufwand von rund 372.000 € pro Jahr (gegenüber 118.134,81 € bei Wahrnehmung durch die BA, s. o.). Die Stadt Braunschweig wäre jeweils mit 15,2 % an diesen Kosten beteiligt.
Des Weiteren könnte dem Grunde nach die Stadt Braunschweig im Wege einer Aufgabenrückübertragung die Verfolgung der eigenen Haushaltsmittel im Rechtskreis des SGB II vollumfänglich selbst vornehmen, ohne die Haushaltsmittel und Kassengeschäfte hierfür nach den §§ 126 und 127 NKomVG zu übertragen. Der Stadt Braunschweig müssten auf Grund der vorgenannten vollumfänglichen Aufgabenwahrnehmung des Jobcenters Braunschweig die Forderungen in Bezug auf die kommunalen Haushaltsmittel sowie die Haushaltsmittel der BA von dort gesondert bekannt gegeben werden. Des Weiteren bestehen bisher hierfür überhaupt keine personellen und sachlichen Ressourcen für eine derartige Aufgabenwahrnehmung. Der zu erwartende zusätzliche Verwaltungsaufwand würde bei der Stadt Braunschweig und dem Jobcenter Braunschweig erheblich höhere Kosten verursachen, als die Fortsetzung der Aufgabenwahrnehmung Forderungseinzug durch die BA.
Eine isolierte Wahrnehmung des Forderungseinzugs für die Forderungen des Bundes durch die BA und für die Forderungen der Stadt durch Abt. 20.4 ist gemäß § 44 b Abs. 4 SGB II in Verbindung mit § 44 b Abs. 1 SGB II nicht zulässig. Des Weiteren ist für die Vollstreckung nach § 40 Abs. 8 SGB II das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes anzuwenden. Aus den vorgenannten Gründen wird der Abschluss der Zusatzverwaltungsvereinbarung nach § 44 b Abs. 4, Satz 1 SGB II zur Dienstleistung O.8 -Forderungseinzug- des Service Portfolios der BA sowie die dafür nachfolgend dargestellten Gremienbeschlüsse sowie eines Beschlusses der Trägerversammlung des Jobcenters Braunschweig für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021 empfohlen.
Zum rechtswirksamen Abschluss der Zusatzverwaltungsvereinbarung hat insbesondere das Nds. Ministerium für Inneres und Sport in den o. g. Verhandlungen die Einholung eines Beschlusses der jeweiligen kommunalen Vertretung auf der Basis von § 58 Abs. 1 Nr. 2 NKomVG mit folgendem Inhalt empfohlen:
Das „Anerkennen“ der Wertgrenzen des § 8 der Zusatzverwaltungsvereinbarung auf der Grundlage der Bundeshaushaltsordnung (BHO) stellt für die Stadt Braunschweig in Bezug auf die vorgenannten Regelungen keine Schlechterstellung dar und dient der Verwaltungsvereinfachung, da ansonsten der beauftragte Forderungseinzug der BA eine Vielzahl unterschiedlicher kommunaler Regelungen bei der Durchführung der Aufgabe beachten müsste. Es stünde dann auch zu erwarten, dass sich die Kosten der Dienstleistung O.8 erheblich erhöhen werden. Dies würde für die Stadt Braunschweig einen höheren Aufwand im Rahmen des kommunalen Finanzierungsanteils (KFA) zur Folge haben.
Im Anschluss an den Beschluss des Rates der Stadt Braunschweig ist ein Beschluss der Trägerversammlung des Jobcenters Braunschweig auf der Grundlage des § 44 c Abs. 2, Nr. 4 SGB II erforderlich. Bei der Übertragung der Aufgabe Forderungseinzug der gE auf die BA handelt es sich nach § 44 b Abs. 4 SGB II um eine Rückübertragung einer Aufgabe, die rechtsgeschäftlich auf der Grundlage des Beschlusses der Trägerversammlung zwischen der gE und der BA erfolgen muss.
Zudem muss die Übertragung von Kassengeschäften der Kommunalaufsichtsbehörde sechs Wochen vor Vollzug angezeigt werden. Nach der Beschlussfassung hat dies umgehend zu erfolgen, um eine Umsetzung zum 1. Januar 2019 zu ermöglichen.
Beschluss: Dem Abschluss der Zusatzverwaltungsvereinbarung nach § 44 b Abs. 4, Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zwischen der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar, dem Jobcenter Braunschweig und der Stadt Braunschweig zur Dienstleistung O.8 -Forderungseinzug- des Service Portfolios der Bundesagentur für Arbeit (BA) wird zugestimmt.
Gleichzeitig werden hierfür die erforderlichen Haushaltsmittel sowie die Kassengeschäfte der Stadt Braunschweig zur Durchführung des Forderungseinzugs der kommunalen Haushaltsmittel SGB II auf der Grundlage des § 127 Abs. 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) in Verbindung mit § 126 Abs. 5 NKomVG auf die BA und im Weiteren auf das Jobcenter Braunschweig bzw. dessen Geschäftsführer übertragen.
Die Verwaltung wird beauftragt, in der Dienstanweisung über Stundung, Niederschlagung, kaufmännische Ausbuchung und Erlass der Stadt Braunschweig (SDA II 20/07 vom 1. August 2017) klarzustellen, dass die Wertgrenzen in § 8 sowie das Verfahren der §§ 3 bis 6 dieser Zusatzverwaltungsvereinbarung als besondere öffentlich-rechtliche Regelungen gegenüber den Bestimmungen in der Dienstanweisung vorrangig sind.
Anlage/n: Entwurf der Zusatzverwaltungsvereinbarung Forderungseinzug SGB II Generalvollmacht zum Forderungseinzug SGB II
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