Rat und Stadtbezirksräte

Vorlage - 18-09482  

Betreff: Errichtung einer neuen Integrierten Gesamtschule
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Federführend:40 Fachbereich Schule   
Beratungsfolge:
Schulausschuss Vorberatung
07.12.2018 
Sitzung des Schulausschusses ungeändert beschlossen   
Verwaltungsausschuss Vorberatung
11.12.2018    Sitzung des Verwaltungsausschusses      
Rat der Stadt Braunschweig Entscheidung
18.12.2018 
Sitzung des Rates der Stadt Braunschweig ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

1. Ausgangslage

 

In den kommenden Jahren ist mit steigenden Schülerzahlen in Braunschweig zu rechnen. Dies entspricht einem Trend in vielen wirtschaftlich prosperierenden Großstädten oder urbanen Verdichtungsräumen. Auf Basis der Bevölkerungsvorausrechnung des Referats Stadtentwicklung und Statistik wurde vom Fachbereich Schule eine Schülerzahlprognose für die unterschiedlichen Altersgruppen (6-10, 10-16, 16-18 Jahre) erstellt, um die Auswirkungen auf den Primarbereich sowie den Sekundarbereich I und II (Sek. I und II) einschätzen zu können. Demnach kann im Betrachtungszeitraum von 2013 bis 2030 von 10-15% demografisch bedingt steigenden Schülerzahlen ausgegangen werden. Die Betrachtungsweise in der Schulentwicklungsplanung ist sowohl an den einzelnen Schulschulstandorten orientiert als auch schulformbezogen, da die Stadt als Schulträgerin gem. § 106 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) ausreichend Plätze für die einzelnen Schulformen vorhalten muss.

 

Die höheren Schülerzahlen machen sich zuerst an verschiedenen Grundschulstandorten bemerkbar, insbesondere dort, wo neue Baugebiete geplant bzw. bereits realisiert werden. An den weiterführenden Schulen, bei denen das gesamte Stadtgebiet als Schulbezirk gilt, treten die Effekte erst zu einem späteren Zeitpunkt als im Primarbereich auf, mit Ausnahme der Gymnasien, an denen ab dem Schj. 2020/2021 mit der Rückkehr zum G 9, dem Abitur nach 13 Schuljahren, ein zusätzlicher Jahrgang beschult werden muss (s. Ratsbeschluss Ds 17-05461 zu Teil I des Schulentwicklungsplans für die allgemein bildenden Schulen (SEP) vom 7. November 2017). In manchen Fällen können mit schulorganisatorischen Lösungen oder einem neuen Zuschnitt der Grundschulbezirke Lösungen gefunden werden. In anderen Fällen hilft nur ein Ausbau der Kapazitäten. Eine starke Auslastung der Grundschulen und weiterführenden Schulen gibt es bereits jetzt v. a. in der Innenstadt. Hier gibt es besonderen Handlungsbedarf.

 

Die nachfolgende Abbildung zeigt die prognostische Entwicklung im Sek. I (Schuljahrgänge 5-10) an den weiterführenden Schulen. Es ist jedoch von einer zukünftig anderen Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die Schulformen auszugehen, da sich in den letzten Schuljahren die Übergangsquoten an die weiterführenden Schulen und die Bildungsbeteiligungsquoten (in den Schuljahrgängen 5-10) verändert haben.[1] Im Schj. 2018/2019 besuchen 12.548 Schülerinnen und Schüler den Sek. I der weiterführenden Schulen. Prognostisch ist bis zum Schj. 2030/2031 mit einem Anstieg von über 1.400 Schülerinnen und Schülern (entspricht über 11%) zu rechnen. Da sich das Wahlverhalten der Erziehungsberechtigten in so einem langen Betrachtungszeitraum stark verändern kann, kann die Verteilung auf die Schulformen nicht genau prognostiziert werden. Bei einer durchschnittlichen Klassengröße von 25,7 würden aufgrund des prognostizierten Anstiegs ca. 54 zusätzliche Klassen benötigt, was neun weiteren Zügen im Sek. I entspricht. Im Bereich der Gymnasien werden zukünftig ca. 4,5 weitere Züge an der Neuen Oberschule, der Ricarda-Huch-Schule und dem Lessinggymnasium (in mobiler Holzbauweise) geschaffen.[2]

 

Abb. 1: Entwicklung der Schülerzahlen im Sek. I von Schj. 2013/2014 bis 2030/2031

 

Unter Punkt 3 in Ds 17-05461 wurde der Verwaltung ein Prüfauftrag zum Ausbau der Kapazitäten der Integrierten Gesamtschulen (IGS) erteilt. Hierbei geht es um mindestens vier bis fünf Züge (also vier bis fünf Parallelklassen pro Schuljahrgang). Nach Prüfung der Alternativen „Ausbau der Kapazitäten an vorhandenen IGSen“ und „Wandlung eines vorhandenen Haupt- bzw. Realschulstandorts“ ist aus Sicht der Fachverwaltung der „Neubau einer 6. IGS“ die sinnvollste Lösung.

 

Bereits seit vielen Jahren ist die Nachfrage deutlich höher als die Anzahl der angebotenen IGS-Plätze. Dies gilt auch nach der Errichtung der 4. IGS in Volkmarode zum Schj. 2009/2010 und der 5. IGS in Heidberg 2012/2013. In den letzten 5 Schuljahren gab es zwischen 198 und 240 mehr Anmeldungen als verfügbare Plätze im jeweiligen 5. Schuljahrgang. D.h., dass rund ein Viertel (zwischen ca. 23 und 27%) der Eltern für ihre Kinder keinen IGS-Platz bekommen haben. Im aktuellen Schj. 2018/2019 stieg die Abweisungsquote noch einmal: 652 Aufnahmen stehen 254 Ablehnungen gegenüber (s. nachfolgende Grafik).

 

Abb. 2: Entwicklung der Aufnahme- und Abweisungsquoten an IGS von Schj. 2000/2001 bis 2018/2019

 

Den Wunsch nach mehr IGS-Plätzen untermauern auch die Ergebnisse der Elternbefragung 2016 in den 3. und 4. Klassen.

 

2. Ergebnis der Prüfung

 

Alternative 1: Ausbau der vorhandenen Kapazitäten

Zu Alternative 1 wurden Gespräche mit den Schulleitungen der fünf bestehenden IGSen geführt. Zwar können IGSen nach der Verordnung für die Schulorganisation (SchOrgVO) bis zu 8-zügig (die Braunschweiger IGSen sind zwischen 4- und 6-zügig) geführt werden, jedoch sind die räumlichen Voraussetzungen für eine Erweiterung an den Standorten sehr ungünstig und von den meisten Schulleitungen nicht gewünscht, da sie aus pädagogischen Gründen eine 4-5-Zügigkeit als optimal erachten. Im Gebäudebestand sind keine weiteren Klassen unterzubringen. Da IGSen aufgrund ihres pädagogischen Konzepts in sogen. Jahrgangsclustern (alle Klassen eines Schuljahrgangs sind räumlich und organisatorisch eng miteinander verbunden) gestaltet sind, wären auch bei zusätzlichen Erweiterungsbauten umfangreiche Umbauten erforderlich, um diese Cluster an die erhöhte Zügigkeit anzupassen. Die IGS Heidberg als neueste der Schulen äußerte prinzipielle Bereitschaft. Aber aufgrund der Raumbedarfe der 5-zügigen IGS und des Gymnasiums Raabeschule, das ebenfalls im Schulzentrum Heidberg untergebracht ist, kann im Bestand keine Lösung realisiert werden. Zudem müssten bei einem Bedarf von mindestens vier Zügen zwei oder mehr Schulen erweitert werden, um nicht die durch die SchOrgVO definierte Höchstzügigkeit von 8 Zügen zu überschreiten.

 

Alternative 2: Wandlung einer bestehenden Schule einer anderen Schulform

Die Wandlung eines Gymnasiums wurde als Grundprämisse des SEP von vornherein ausgeschlossen. Die Aufgabe eines Gymnasiums würde dem Ziel, die Gymnasialkapazitäten auszubauen, und dem Elternwillen (gestiegene Übergangsquoten bei insgesamt steigenden Schülerzahlen, belegt auch durch die Elternbefragung im Schj. 2016/2017 in den 3. und 4. Klassen) widersprechen.

 

Viele der Schulleitungen von Hauptschulen- und Realschulen äußerten in den Einzelgesprächen ihre grundsätzliche Bereitschaft ihre Schule in eine IGS umzuwandeln. Dies wäre mit einer Ein-Standort-Lösung aber nur schwierig umzusetzen, da die meisten Schulen von der Zügigkeit kleiner sind und keine Ganztagsinfrastruktur vorweisen können. Grundsätzlich müssten bei einer Umwandlung einer Hauptschule oder Realschule Ersatzkapazitäten geschaffen werden.

 

Die einzige geeignete Schule wäre die Nibelungen-Realschule, die bereits Ganztagsschule ist und sich in einer Schulanlage mit der Außenstelle der IGS Querum (gymnasiale Oberstufe) befindet. Hier könnte über eine Erweiterung ggf. die Schaffung der erforderlichen Kapazitäten realisiert werden. Allerdings befindet sich der Standort in einer räumlich eher ungünstigen Lage, da sich sowohl die IGS Querum als auch die IGS Franzsches Feld in der Nähe befinden. Dies betrifft auch die IGS in Volkmarode am östlichen Stadtrand.

 

Die anderen Standorte von Hauptschulen und Realschulen, sind räumlich noch kleiner:

Die Maschstraße kann mit 16 Allgemeinen Unterrichtsräumen (AUR) ca. eine 2,5-Zügigkeit der Schuljahrgänge 5-10 abbilden. Die Sidonienstraße hat 15 AUR, wovon jedoch zwei derzeit als Räume für Kooperationsklassen mit der Oswald-Berkhan-Schule genutzt werden. An der HS Sophienstraße stehen 18 AUR (3-Zügigkeit) zur Verfügung. Alle genannten Schulen sind zudem keine Ganztagsschulen. D. h., die Ganztagsinfrastruktur muss ebenso mitgedacht werden wie möglicherweise erhöhte Raumbedarfe durch mehr Differenzierungsräume. Des Weiteren müssten bei einem Ausbau zu einer 4-5-zügigen IGS zusätzliche Sporthallenkapazitäten entstehen. An allen genannten Standorten sind Erweiterungen problematisch. Die Umsetzung einer gymnasialen Oberstufe wäre überall nur sehr schwierig und nicht wirtschaftlich zu realisieren.

 

Mit einer Zwei-Standorte-Lösung, z. B. Sidonienstraße / Sophienstraße, könnte eine Lösung für eine 4-5-zügige IGS mit Oberstufe umgesetzt werden, wenn an einem Standort ein Erweiterungsbau entstehen würde. Prinzipiell sind solche Modelle mit Außenstellen oder ausgelagerter gymnasialer Oberstufe denkbar und werden von der Nds. Landesschulbehörde (NLSchB) auch genehmigt, stellen aber u. a. aufgrund des erhöhten organisatorischen Aufwands nicht die ideale Form des schulischen Arbeitens dar. Der Vorteil der hier genannten Schulen ist ihre Lage: verkehrsgünstig, innenstadtnah und nicht in unmittelbarer Nähe zu bestehenden Gesamtschulen. Der planerische und bauliche Aufwand ist als sehr hoch zu betrachten. Beim Betrieb eines solchen Schulsystems würde später zudem ein hoher organisatorischer Aufwand entstehen. Für beide Standorte müssten Ersatzbauten geschaffen werden.

 

Alternative 3: Neubau einer 6. IGS - schulfachliche Belange

Der Bau eines neuen großen Schulsystems wie einer weiteren IGS ist sicherlich die Ideallösung. Auf den ersten Blick erscheint diese jedoch aufgrund der sehr hohen Kosten (der Neubau der Wilhelm-Bracke-Gesamtschule durch die Nibelungen Wohnbau GmbH hat auf einem vorhandenen Grundstück ca. 40 Mio. € gekostet) und der fehlenden großen (städtischen) Grundstücke in attraktiver Lage zunächst unrealistisch. Auf den zweiten Blick scheint es aber die sinnvollste Lösung zu sein. Denn auch bei den Alternativen 1 und 2 müsste neu gebaut werden. Bei Alternative 1 würden hohe Kosten für die Erweiterung der Schulen entstehen, während bei Alternative 2 aufgrund der zukünftig steigenden Schülerzahlen Ersatzkapazitäten bei den Haupt- und / oder Realschulen geschaffen werden müssten. Zudem entstünden Kosten für die Errichtung der Ganztags-IGS-Struktur in den Bestandsgebäuden.

 

Der Standort für die 6. IGS sollte sich durch eine möglichst attraktive und innenstadtnahe Lage auszeichnen, so dass die neue Schule gleich zum Start gute Möglichkeiten hätte, eine leistungsmäßig ausgewogene Zusammensetzung der Schülerschaft (über das System der Lostöpfe) zu erreichen. Dies würde dazu führen, dass die auch nach den geplanten Erweiterungen weiterhin knappen gymnasialen Kapazitäten entlastet werden könnten (es kann davon ausgegangen werden, dass 10-30% der Plätze von Schülerinnen und Schüler nachgefragt würden, die ansonsten ein städtisches Gymnasium besuchen würden).

 

Mit einem an die 6. IGS angegliederten GS-Zweig könnte ein besonderes Konzept des gemeinsamen Lernens von Klasse 1-13 verfolgt werden, was zum einen die Attraktivität der Schule wahrscheinlich weiter erhöhen würde und zudem – je nach Lage des Standorts –

voraussichtlich einige stark wachsende Grundschulen entlasten könnte. Hierzu müssten dann ggf. Schulbezirke neu geschnitten werden. Die IGS sollte aus pädagogischen und organisatorischen Gründen im Primarbereich 2- und im Sekundarbereich I 5-zügig sein. Darüber hinaus verspricht das hier skizzierte Modell eine pädagogisch wertvolle Lösung mit einer deutlichen Verbesserung der Braunschweiger Schullandschaft.

 

Je nach Entwicklung der Zusammensetzung der Schülerschaft erfolgt eine Entlastung der weiterführenden Schulformen Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Da aktuell von 10-15% steigenden Schülerzahlen bis zum Jahr 2030 ausgegangen wird, könnten mit der 6. IGS Bedarfe teilweise gedeckt und einzelne Erweiterungen von bestehenden Schulanlagen entfallen bzw. kleiner ausfallen. Bei einem innenstadtnahen Bebauungsgrundstück könnten Grundschulen in der Nähe, die voraussichtlich über ihre räumlichen Kapazitäten oder sogar die nach SchOrgVO zulässige 4-Zügigkeit hinauswachsen, entlastet werden.

 

In der AG SEP wurde das Thema Ausbau der IGS-Kapazitäten nach dem Ratsbeschluss vom 7. November 2017 zuletzt in der 4. Sitzung am 14. März 2018 erörtert. Einige Mitglieder der Ratsfraktionen, die dort mitwirken, haben die Erwartung formuliert, möglichst im Dezember 2018 einen beschlussfähigen Vorschlag der Verwaltung zum Ausbau der IGS-Kapazitäten zu erhalten, da der Planungsaufwand und die Realisierungszeit recht umfangreich sein werden. Aufgrund der vielfachen Verzahnung mit anderen Projekten des SEP sollte die ausführliche bauliche Prüfung und anschließende Planung möglichst bald begonnen werden. Die AG SEP sollte über die weitere Vorgehensweise unterrichtet werden.

 

Werden die IGS-Kapazitäten nicht erweitert, ist davon auszugehen, dass bei zukünftig steigenden Schülerzahlen Kapazitäten anderer weiterführender Schulen wie Realschulen und / oder Hauptschulen (insgesamt 4-5 Züge stadtweit bis 2030) ausgebaut werden müssten.

 

Der Neubau einer 6. IGS würde die Betrachtung und Prüfung anderer weiterführender Schulformen bei der Weiterentwicklung der Braunschweiger Schullandschaft nicht ausschließen.

 

3. Neubau einer 6. IGS - Standort
Derzeit werden von der Verwaltung verschiedene Standortalternativen geprüft und bewertet. Auf Grundlage dieser Bewertung, die stadtplanerische, schulische, baufachliche, finanzielle und liegenschaftliche Kriterien umfasst, wird ein Beschlussvorschlag für den Rat der Stadt Braunschweig erarbei­tet. Dieser soll gemeinsam mit einem Raumprogramm im Lauf des Jahres 2019 vorgelegt werden.

 


[1] Annahmen: Schülerzahlentwicklung indexbasiert nach Bevölkerungsvorausrechnung, Status Quo bei Schulen in anderer Trägerschaft und hinsichtlich der Vereinbarungen mit anderen kommunalen Schulträgern, Auswärtige berücksichtigt mit konstanten Werten (leichtes Minus an Gymnasien), IGS-Plätze ab dem Schj. 2019/2020 konstant bei 3.850 (ohne Ausbau)

[2] Der Klassenteiler im Schj. 2018/2019 bei der kombinierten Betrachtung der weiterführenden Schulen beträgt ca. 25,7. Es ist zu berücksichtigen, dass insbesondere Hauptschulen wesentlich kleinere Klassen haben aufgrund der Doppelzählung bei steigenden Anteilen inklusiver Beschulung. Bei den Gymnasien sind die zusätzlichen Raumbedarfe durch die Rückkehr zum G 9 zu berücksichtigen.


Beschluss:



1. Die Verwaltung wird beauftragt, einen Standort zum Bau einer weiterführenden Schule mit Oberstufe vorzuschlagen.

2. Nach erfolgter Prüfung der Alternativen durch die Verwaltung soll hiermit der Neubau einer IGS zur Schaffung weiterer Kapazitäten beschlossen werden.

3. Nach Abschluss weiterer Prüfungen wird die Verwaltung im Jahr 2019 einen Beschlussvorschlag zum Standort und ein Raumprogramm für die Schule vorlegen.

4. Die Schule soll neben dem 5-zügigen Sekundarbereich I (Klassen 5-10) einen 2-zügigen Primarbereich (Klassen 1-4) führen und wird mit gymnasialer Oberstufe (Klassen 11-13) geplant.

 


Anlage/n: keine

 

Erläuterungen und Hinweise