Rat und Stadtbezirksräte
Vorlage - 19-11537-01
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Sachverhalt:
Zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE. im Rat der Stadt vom 20.08.2019 bzw. 21.08.2019 (19-11518 Wohnungsbau stärken – Zwangsausschüttung beenden, 19-11537 Wohnungsnot: Taten sind gefragt) wird wie folgt Stellung genommen. Diese Stellungnahme gilt auch als Antwort auf den Antrag 19-11518.
Dem Tenor der Anträge, dass die Verwaltung in der Vergangenheit im Bereich der Daseinsvorsorge Wohnen tatenlos gewesen sei, entspricht nicht der tatsächlichen Entwicklung in Braunschweig.
So wurden in dem von der Stadt initiierten, breit angelegten Beteiligungsprozess „Bündnis für Wohnen“ mit allen relevanten kommunalen Akteuren, der Wohnungswirtschaft, den Sozialverbänden, Vertretern aus Politik und Verwaltung u. a. die kommunalen Möglichkeiten ausgelotet, mit welchen Mitteln bezahlbarer Wohnraum in Braunschweig erhalten und neu geschaffen werden kann (vgl. Vorlage 17-03839). Eine Vielzahl von dort beschlossenen Maßnahmen befindet sich in der Umsetzung, z. B. Förderung von Neubau und Bestand mit Belegungs- und Mietpreisbindung, Akquirierung von Belegungsrechten und Quote für den Neubau mit Belegungs- und Mietpreisbindung. Eine Evaluierung des Handlungskonzeptes ist noch in diesem Jahr vorgesehen.
Zudem bedarf es aus Sicht der Verwaltung der Klarstellung, dass in Braunschweig keine Wohnungsnot herrscht. Dies bestätigt auch die neue Wohnungsbedarfsprognose, die sich gerade in der Abstimmung befindet. In der Tendenz ist erkennbar, dass in einzelnen Teilsegmenten der Nachfrage Engpässe herrschen, in der Summe aber die Versorgungsquote für einkommensschwache Haushalte insgesamt noch nicht im kritischen Bereich liegt. Die Verwaltung wird in der Sitzung des PlUA am 30.10.2019 die Ergebnisse der neuen Wohnungsbedarfsprognose für den Zeitraum 2020 bis 2030 vorstellen, zusammen mit einem Beschlussvorschlag, wie mit den Ergebnissen umgegangen werden soll.
Die Stadt setzt derzeit das Wohnraumversorgungskonzept aus dem Jahr 2015 erfolgreich um. Zielsetzung war, im Zeitraum von 2015 bis 2020 Planungsrecht für 5.000 neue Wohnungen zu schaffen. Dieses Ziel ist heute schon 1 ½ Jahre vor dem Zielzeitpunkt mit 6.100 Wohneinheiten nicht nur erreicht, sondern deutlich überschritten. Großprojekte wie die Projekte Nördliches Ringgebiet, Alsterplatz, Heinrich-der-Löwe-Kaserne, Stöckheim-Süd, Langer Kamp, Kurzekampstraße und Mittelweg Südwest sind Beleg für das große Engagement der Stadt, der Grundstücksgesellschaft, der Nibelungen-Wohnbau-GmbH sowie auch der örtlichen Wohnungswirtschaft, die sich alle der Verantwortung stellen, Wohnraum zu schaffen.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum keine originär kommunale, sondern eine Aufgabe von Bund und Land ist. Der Bund hat die Aufgabe an die Länder delegiert. Die heutigen Förderbedingungen sind ganz offensichtlich für die Investoren in Niedrigzinszeiten nicht attraktiv genug, so dass in vielen Fällen eine Förderung von Investoren gar nicht beantragt wird.
Dies vorausgeschickt wird zu den einzelnen Anträgen wie folgt Stellung genommen:
Zum Antrag 19-11518 “Wohnungsbau stärken – Zwangsausschüttung beenden“
Aufgrund der politischen Entscheidungsprozesse zu den Ergebnisverwendungen 2012, 2013 und 2014 wurde 2015 eine längerfristige Abstimmung zwischen der Nibelungen-Wohnbau-GmbH (NiWo) und ihren Gesellschafterinnen Stadt Braunschweig und Stadt Braunschweig Beteiligungs-Gesellschaft mbH (SBBG) als sinnvoll und geboten erachtet.
Mit der im Ergebnis vom Verwaltungsausschuss der Stadt per Anweisung beschlossenen, erstmals für den Jahresabschluss 2015 geltende Dividendenvereinbarung vom 07.03.2016 wurde ein guter Ausgleich zwischen den Interessenlagen innerhalb des Konzerns Stadt gefunden und allen Beteiligten Planungssicherheit gegeben. So wird einerseits die für die NiWo erforderliche Sicherstellung ihrer Eigenkapitalbasis berücksichtigt, andererseits aber auch die für die SBBG notwendige Rendite aus der Investition in die NiWo-Anteile und der damit verbundenen Reduzierung ihres Verlustausgleichs durch den städtischen Haushalt.
Untermauert wird diese Aussage durch die Zahlen der Jahresabschlüsse 2015 bis 2018 der NiWo: In diesem vierjährigen Zeitraum erwirtschaftete die Gesellschaft Jahresüberschüsse von insgesamt 19.278 T€. Hiervon wurden insgesamt 7.640 T€ an die SBBG ausgeschüttet, aber insgesamt 11.638 T€ in der NiWo thesauriert.
Im groben Durchschnitt wurden also jährlich von der NiWo knapp 5 Mio. € Jahresüberschuss erwirtschaftet, die in Höhe von knapp 3 Mio. € zur Stärkung der Eigenkapitalbasis in die Gewinnrücklagen (gesonderte Baurücklage) eingestellt wurden.
Zur weiteren Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis wird der NiWo durch den städtischen Haushalt eine zusätzliche Kapitalrücklage von 2,5 Mio. € bereitgestellt. Auch dies zeigt, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Stadt, NiWo und SBBG im Hinblick auf gesamtstädtische Zielsetzungen besteht.
Die drei Vertragspartner, hier hervorgehoben die NiWo, stehen der unveränderten Fortsetzung der Dividendenvereinbarung positiv gegenüber.
Zum Antrag 19-11537 „Wohnungsnot: Taten sind endlich gefragt“
Zu 1: Erhöhung der kommunalen Steuerungsmöglichkeiten im Wohnbereich durch Stärkung der Grundstücksgesellschaft und der Nibelungen-Wohnbau-GmbH
Die Verwaltung beabsichtigt sowohl mit der Grundstücksgesellschaft als auch mit der Nibelungen-Wohnbau-GmbH die Aktivitäten in der Flächenvorsorge fortzusetzen und auch zu erhöhen.
Die GGB ist aktuell finanziell gut ausgestattet, um im Bereich der Flächenvorsorge tätig sein zu können. Hier ist nicht die fehlende Ressource Geld die Engstelle für Flächenvorsorge, sondern vielmehr die spürbar zögerliche Verkaufsbereitschaft vieler Eigentümer. Erschwerend wirken sich die aufgrund der aktuellen Marktlage teilweise deutlich überhöhten Preisvorstellungen von den Eigentümern aus. Wenn in Anbetracht der aktuellen Marktlage zu hohe Ankaufspreise in einem Gebiet gezahlt werden, wirkt sich das auch mittelbar auf anderer Gebiete aus, sodass die Schaffung von günstigem Wohnbauland zunehmend erschwert wird. Die Bemühungen zum Ankauf von Wohnland werden gleichwohl festgesetzt.
Zu 2: Zukünftiger Grundstücksankauf und Entwicklung von Bauflächen
Eine feste Vorgabe zur Schaffung von 10 Hektar Bauland pro Jahr ist angesichts der knappen Flächenreserven in Braunschweig faktisch kaum zu realisieren.
Ein derartiger Beschluss würde sich auf die Höhe der Ankaufsangebote nochmals negativ auswirken, da die Verhandlungsposition der Verwaltung geschwächt würde.
Daneben ist zu bedenken, dass bei einer Nettobaulandquote von ca. 65 % für 10 Hektar Nettobauland ein Flächenverbrauch von rd. 15 Hektar erforderlich wäre. Ferner ist zu berücksichtigen, dass für die Ausweisung von neuem Bauland darüber hinaus jeweils auch adäquate Flächen für Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen in etwa gleichem Umfang zur Verfügung gestellt werden müssen.
Zu 3: Fertigstellung von 1.300 Geschosswohnungen jährlich im Zeitraum von 2020 bis 2025
Die politische Forderung, in Zeiten anhaltenden bzw. steigenden Wohnungsbedarfes gerade auch im Bereich des Geschosswohnungsbaus die Zahl der Fertigstellungen zu erhöhen, ist aus Sicht der Verwaltung nachvollziehbar. Die Verwaltung baut selbst jedoch nicht, sondern schafft die baurechtlichen Voraussetzungen für private und öffentliche Bauherren als eigentliche Adressaten dieser Forderung.
Erkennbar ist, dass das aktuelle Wohnraumversorgungskonzept, das 2020 ausläuft, auf ähnlichem oder höherem Niveau in den Folgejahren fortgesetzt werden muss, will die Stadt Braunschweig auch weiterhin möglichst allen ansiedlungswilligen Bürgerinnen und Bürgern eine angemessene Wohnung ermöglichen. Insofern ist die Fortschreibung des Wohnraumversorgungskonzeptes mit einem neuen Mengengerüst anhand der Ergebnisse der Wohnungsbedarfsprognose in Vorbereitung, um auf diesem wichtigen Handlungsfeld strategisch auch weiterhin gut aufgestellt zu sein. Konkrete Bedarfe und mögliche Neubaugebiete sind anschließend im Rahmen des Prozesses zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes zu diskutieren.
Zu 4: Kaufangebote der Stadt für Flächen, deren Eigentümer Baurecht für ihr Grundstück anstreben
Der Antrag, allen privaten Eigentümern, die Baulandentwicklung anstreben, Kaufangebote seitens der Stadt zu unterbreiten, ist zwar grundsätzlich umsetzbar, wird jedoch nur zum Teil zu Ergebnissen führen. Wenn ein Privater die Umwandlung von Flächen in Wohnbauland „beantragt“, hat er oftmals selbst Interesse, das Gebiet zu entwickeln oder aber bereits einen Investor an der Hand. Der Antrag macht insofern nur dann Sinn, wenn die Konsequenz bei Nichtverkauf an die Stadt wäre, dass kein Baurecht geschaffen wird.
Zu 5: Keine Veräußerung städtischer Grundstücke vor Schaffung von Planungsrecht
Die Verwaltung beabsichtigt zukünftig für städtische Grundstücke zunächst Planungsrecht zu schaffen, bevor eine Veräußerung zur baulichen Umsetzung mit den Wohnungsbaugesellschaften oder anderen Investoren erfolgt. Sofern die Stadt nur über ein Teil der Grundstücke verfügt, wird einzelfallbezogen entschieden.
Ein absoluter Ausschluss des Verkaufs städtischer Grundstücke vor der Umwandlung in Bauland ist aus Sicht der Verwaltung aber nicht erforderlich, da bei Verkäufen größerer und werthaltiger Flächen ab einer Wertgrenze von 200.000 € ohnehin die politischen Gremien über den Verkauf entscheiden und somit in jedem Einzelfall festlegen können, ob ein Verkauf der jeweiligen Fläche erfolgt.
Zu 6: Milieuschutzsatzung für die von der Mietsteigerung betroffenen Stadtteile
Die Milieuschutzsatzung (Erhaltungssatzung gem. § 172 BauGB) ist aus Sicht der Verwaltung für die in Braunschweig vorzufindenden Verhältnisse kein geeignetes Instrument, um Mietsteigerungen wirkungsvoll einzudämmen.
Das Eigentum an Wohnimmobilien genießt in Deutschland einen besonders hohen grundgesetzlichen Schutz. Dies spiegeln die bauplanungsrechtlichen Regelungen des Baugesetzbuches wider: Die Hürden für eine Begründung einer derartigen Satzung liegen hoch, was schon bei der Vorbereitung einer derartigen Satzung viel personelle Ressourcen bindet (Einschätzung und Begründung von Aufwertungspotenzial, Verdrängungspotenzial, Auswirkung auf Infrastruktur).
Andererseits dürfen nur extreme bauliche Aufwertungen rechtlich unterbunden werden. So dürfen auch in Gebieten, für die eine Milieuschutzsatzung erlassen wurde, zeitgemäße Ausstattungsstandards für Wohnungen nicht verboten werden. Die Grenze zur Luxussanierung ist fließend und nicht einfach zu bestimmen.
Wenn in einem Quartier alle baulichen Änderungen oder Nutzungsänderungen auch der Genehmigung nach der Erhaltungssatzung bedürfen, entsteht ein erheblicher Prüfaufwand, der in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden positiven Folgewirkungen steht. Schreitet die Verwaltung konsequent mit Verboten ein, ist häufig ein Rechtsstreit mit dem Eigentümer zu erwarten, der die Stadt Zeit und Geld kostet. In der Summe müsste in hohem Umfang Geld und Personal (ca. 4 - 5 neue Stellen) bereitgestellt werden, um in einigen wenigen Fällen, in einzelnen Wohnhäusern eine Mietpreissteigerung zu unterbinden. Im Ergebnis entsteht also viel Aufwand und Bürokratie, begleitet von erheblicher Rechtsunsicherheit.
Die genannten Instrumente schaffen jedoch keinen einzigen Quadratmeter neuen Wohnraum. Die Verwaltung empfiehlt ihre Kräfte daher anstatt auf aufwendige Verwaltungsvorgänge auf die Planung und Realisierung von neuem Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten in Braunschweig zu richten.
Zu 7: Steigerung der gebundenen Wohnungen
Der Rat der Stadt hat im März 2018 (Drs.-Nr. 18-07055) die letztmalige Verlängerung der Gebietsfreistellung der öffentlich geförderten Wohnungen in der Weststadt bis zum 31.12.2023 beschlossen. Freigestellt wurde dabei nur von den Belegungsbindungen der Wohnungen. Die Vorlage von Wohnberechtigungsscheinen im Zuge der Anmietung dieser Wohnungen ist somit bis Ende 2023 nicht notwendig. Gleichwohl stehen diese freigestellten Wohnungen den Haushalten, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben, genauso zur Verfügung wie den Haushalten ohne Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Am 01.01.2024 werden die derzeit freigestellten Belegungsbindungen wieder in Kraft treten, eine weitere Freistellung kommt dann dem o. g. Ratsbeschluss zufolge nicht mehr in Betracht. Die Mietpreisbindungen der öffentlich geförderten Wohnungen sind nicht Gegenstand der Gebietsfreistellung, sie bestehen die ganze Zeit über unverändert fort.
Es ist zutreffend, dass die Zahl der ausgestellten Wohnberechtigungsscheine seit Einführung der Gebietsfreistellung in 2001 zurückgegangen ist. Tendenziell ist allerdings aktuell ein Ansteigen zu verzeichnen. Mit Stand 26.08.2019 wurden bereits 199 Wohnberechtigungsscheine ausgestellt. Im letzten Jahr wurden insgesamt 225 Anträge bewilligt.
Fazit
Neben der verwaltungsinternen Projektgruppe Flächenvorsorge, die ein Konzept erarbeiten soll, wie die Stadt und die städtischen Gesellschaften zukünftig die Flächenvorsorge optimieren können, läuft aktuell auch ein Projekt mit dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) zur kommunalen Bodenpolitik. Im Rahmen dieses Projektes werden in Braunschweig und einer Vielzahl von anderen Kommunen die jeweiligen lokalen Ausgangssituationen durch das Difu erfasst und bewertet. Auf Grundlage dieser Bewertung sollen den jeweiligen Kommunen Empfehlungen für die Weiterentwicklung der kommunalen Bodenpolitik durch das Difu gegeben werden. Erste Ergebnisse dieses Projektes für Braunschweig werden noch im Herbst dieses Jahrs erwartet. Die Verwaltung beabsichtigt, auf der Grundlage der Ergebnisse der Projektgruppe Flächenvorsorge und des Projektes des Difu einen Grundsatzbeschluss zur Bodenpolitik zu erarbeiten und den zuständigen Gremien zur Entscheidung vorzulegen.
Anlage/n:
keine
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